Durchblick

Irgendwie ist gerade ziemlich viel Chaos in mir, um mich. Ich habe viele Termine und muss mein Leben eintakten, muss planen, vorausschauen. Ungewohnt. Wo ich doch sonst mit der Tagesstruktur sehr zu kämpfen habe.
Gestern war ich bei einem Termin in der Kontakt- und Beratungsstelle für psychisch Kranke. Die Sozialarbeiterin möchte mir helfen, bis zur Ausbildung klar zu kommen und nachzufragen, wie es nun mit dem ABW aussieht. Möglicherweise werde ich mir einige Stunden „geplant“ einkaufen, also selbst bezahlen, um wichtige Dinge zu erledigen, die ich alleine noch nicht schaffe. Soweit der Plan.
Auch war ich gestern wieder mit Laura reiten. Es war für mich das erste Mal im Tölt, einem Gang, den nur wenige Pferderassen beherrschen. Es war ungewohnt, aber nach kurzer Eingewöhnungszeit echt schön.
Ein kleines Fazit zur Medikamenteneinahme: ich habe bisher, einer Erinnerungs-App sei Dank, meine Medis wieder regelmäßig genommen. Und ich bemerke schon Unterschiede. Durch das Olanzapin bin ich viel ruhiger und weniger ängstlich-misstrauisch und schlafe auch deutlich besser. Nachtängste und Halluzinationen sind auf ein Minimum reduziert. Das Depressive ist dennoch noch da, aber ich habe auch noch eine recht geringe Dosis Venlafaxin. Das könnte also noch erhöht werden. Am Montag habe ich nicht nur ein Gespräch mit Locke, sondern auch einen Arzttermin, hoffentlich wieder bei meiner Ärztin und nicht der Vertretung, dem Oberarzt.

Hoffnung?

Wie hier beschrieben, hatte ich wenig Hoffnung darauf, dass die ABW-Kostenerstattung übernommen wird. Aus dem einfachen Grund, weil ich nicht die maximale Rücklage einhalte.
Heute jedoch flatterte ein Brief ins Haus, auf dem der Antrag nicht abgelehnt wurde. Sondern nur ans Jugendamt weitergeleitet wurde, die womöglich die Kosten übernehmen. Daumen drücken, dass das klappt!
Gestern, bei der Hitze, wurde im Übrigen nicht geritten. Das wäre Tierquälerei. Stattdessen wuschen wir die Pferde mit kaltem Wasser ab, striegelten und putzten sie und ließen sie dann auf die Weide. Danach gab es Theorieunterricht, indem wir die Gangarten behandelten. War dennoch schön, bei den Isländern zu sein.

Ich packe meinen Notfallkoffer…

…und tue hinein: Igelball, Chilli-Bonbons, Gummiband…
Notfallkoffer, Stresstoleranzskills und Zugangskanäle waren die Themen der Gruppe, bei der ich am Mittwoch zum ersten Mal teilgenommen habe. Geleitet wird die Gruppe von Locke und ihrer Kollegin, bei der ich das Vorgespräch hatte. Aller zwei Wochen findet die DBT-Gruppe statt, in der nacheinander die einzelnen Module des DBT-Programms behandelt werden. Zu erst wurde in der Gruppe eine Wiederholung von letzter Woche gemacht. Danach gab es eine Achtsamkeitsübung. Achtsamkeit ist der Teil der DBT, der irgendwie immer mit dazu gehört und demnach jede Stunde wieder aufgegriffen wird. Die Übung diese Woche war oben genanntes Beispiel – ich packe meinen Koffer mit „Skills“ zur Stresstoleranz. Ich war leider wenig bei der Sache und habe in der zweiten Runde ziemliche Probleme gehabt.
Danach sind wir die neuen Inhalte durchgegangen.
Hausaufgabe bis zum nächsten Mal ist, sich einen Notfallkoffer bereit zu stellen. Da muss darauf geachtet werden, verschiedene Zugangskanäle zu nutzen (zB. Sinne, Handlungen, Verhalten…).
Heute geht es wieder reiten. Ich bin schon aufgeregt! Aber die Freude überwiegt.

Ende des Monats

Zuerst eine kleine Revue zum Freitag.
Seit ungefähr fünf Jahren saß ich nicht mehr im Sattel. Aus unterschiedlichen Gründen entschlossen wir, Laura und ich, uns dann zu einem Isländerhof in DD-Weißig zu gehen, um wieder Unterricht zu nehmen. Da wir neu auf dem Hof waren, wurden wir am Freitag in die Anfängergruppe gesteckt und durften unser Können im Reiten in der Abteilung zeigen. Wir waren wohl besser als erwartet und wurden sobald gefragt, ob wir nicht in die fortgeschrittenen Gruppe wechseln möchten. Vorerst wollen wir es jedoch langsam angehen und bleiben in der Anfängergruppe.
Ich durfte einen Isländer-Wallach namens Pipar reiten, der zwar sehr ruhig, dadurch aber bequem und faul war. Allerdings konnte ich ihn genug motivieren, sodass der Trab und der Galopp ganz gut liefen. Die Angst war anfangs unbeschreiblich groß, aber nach ein paar Minuten habe ich mich echt gut gefühlt.
Heute hatte ich erst einen Termin bei Locke in der PIA, dann ein Arztgespräch.
Der Termin bei Locke lief recht ruhig, weil es mir nicht gut ging und ich mich nicht konzentrieren konnte. Sie hat mir Teile des DBT-Programms ausgedruckt, was ich zur Vorbereitung für die Gruppe am Mittwoch brauche. Derzeit geht es da noch um Stresstoleranz-Skills.
Beim Arzt war es mir dann wirklich unangenehm. Ich hatte die Medis ja auf eigene Faust abgesetzt und hatte Angst, das blöde Sprüche kommen. Aber er war ganz sachlich und verschrieb mir die selben Medis wie zuvor, jedoch erstmal in geringerer Dosierung zum „eingewöhnen“. Mal sehen. Ich bin auch nicht begeistert, aber ich will auch nicht, dass es noch schlimmer wird.
Dieser Monat lässt sich recht einfach zusammenfassen. Viele Neuigkeiten gab es nicht. Jedoch konnte ich des öfteren über meinen eigenen Schatten springen, zur Selbsthilfegruppe und zum Reiten gehen. Dafür war meine Depression fast nicht in den Griff zu bekommen und die psychotischen Ängste und Gedanken halten sich hartnäckig. Deswegen mein Entschluss, wieder mit den Medis anzufangen.

Wegen Reichtum gecancelt

Gestern der letzte, abschließende Termin zum Thema ambulant betreutes Wohnen.
Ich will mich an dieser Stelle kurz fassen. Weil ich noch ein weiteres Vermögen neben dem normalen Girokonto habe (quasi als Rückhalt für Führerschein, Auto und Co.) wird mir das ABW nicht bezahlt. Ich müsste jede Stunde selbst bezahlen. Würde ich den Selbstzahlervertrag unterzeichnen wären das im Minimum 150 € pro Monat für eine Stunde wöchentlich. Das ist fast meine monatliche Warmmiete. Natürlich warte ich noch auf den genauen Befund des KSV ab, aber es ist zu 99% sicher, das es nicht erstattet wird.
Kann ich nicht ändern, können die nicht ändern, muss ich akzeptieren. Ärgerlich ist es trotzdem.

Dr. House und die Tabletten

Wer mal unter „Vita“ meine Diagnosensammlung durchgelesen hat, kann sich vorstellen, wie groß die Verwirrung meinerseits und seitens der Ärzte über meinen Zustand ist. Es gibt Fraktionen, die sich darüber sicher sind, ich sei der typische Borderliner, dann wiederum welche, die finden das gar nicht und ich sei ein klassischer Fall von psychotischem Erleben in Kombination mit Depression. Hie und da schreien manche daraufhin, ich habe eindeutig spezifische Phobien und soziale Ängste, meine Insuffizienzgefühle stammen daher und nicht durch eine Depression.
Manchmal würde ich dann am liebsten lautstark auf den Boden stampfen und um Ruhe bitten. Ich komme mittlerweile selbst nicht mehr mit.
Ich schwelge in Erinnerung an Liane, meine Oma väterlicherseits, die 2009 verstorben ist, wenn ich Dr. House anschaue. Vor ihrem Tod, ich war so 12 oder 13 Jahre, haben wir das manchmal zusammen gesehen oder darüber geredet. Nun habe ich in letzter Zeit nicht allzu viel vor oder kann mich zu nichts motivieren. Dann gehe ich auf Diagnosensuche mit Dr. House und mache das, was die Ärzte sonst mit mir machen. Ich sehe Aufnahmen von MRTs, von Lumbalpunktionen, von Tests, die die Zurechnungsfähigkeit oder die Stärke und die Art der Aphasie messen sollen. Und ich fühle mit den Patienten, denn ich habe diese Tests alle schon gemacht. Mehrmals sogar.
Ich weiß nicht, wie das Leben derzeit so läuft, denn ich laufe nicht mit. Tage verbringe ich auf dem Sofa, zu Hause, vor dem Laptop, mit dem Doktor.
Heute ein Termin bei Locke. Es stand nichts an und dennoch war das Gespräch gut. Fazit der Sitzung: ich soll die Depression, die seit wenigen Wochen wieder in mir aufgekeimt ist, bekämpfen. Mein derzeitiger Ansatz, das ich ja schon alles erdenklich getan habe, wird durch die Tatsache untergraben, dass ich seit zwei Monaten keine Tabletten mehr nehme. Und es brauchte einige Bedenkzeit, bis mir klar geworden ist, dass es derzeit einfach noch nicht ohne geht. Sowohl nicht ohne Antidepressiva, als auch ohne Antipsychotika.
Am Montag dann der Termin beim Psychiater (dem ich vor vier Wochen gesagt habe, ich will keine Medikamente nehmen…wie peinlich) und das hoffen, dass die Pillen wirken. Bis dahin schaue ich Dr. House zu, wie er Todkranken wieder auf die Beine hilft.

Tabu mit Irren

Man nehme eine handvoll ausgewählter Irrer, einen Raum, ein Tabu-Spiel und einige Zeit.
Es war das zweite Treffen, an dem ich teilgenommen habe. Die Selbsthilfegruppe für junge psychisch Kranke. Eigentlich hatte ich keinerlei Lust. Mal wieder verbrachte ich den Tag alleine zu Hause, ohne sämtliche Motivation.
Irgendwie, es gleicht einem Wunder, schaffte ich es dennoch mich halb sechs auf den Weg zu machen und nach DD-Prohlis zu fahren. Das ist so ziemlich das andere Ende der Stadt und die Gegend war mir fremd.
Angekommen stellten sich mir drei neue Gesichter vor, die letztes Mal noch nicht dabei gewesen waren. Unter anderem M., den ich aus dem Krankenhaus in Friedrichstadt kannte. Wir hatten uns da ein paar Mal gesehen, aber nicht miteinander geredet. Das holten wir nun nach.
In einer Gruppe von sieben Irren und zwei Angestellten der AWO, die die Gruppe leiten, spielten wir Tabu. Es war eine relativ ruhige Truppe, aber ab und an kam es vor, dass wir gemeinsam lachten und uns gegenseitig öffneten. Einigen fiel das Tabu spielen schwer, anderen nicht. Manche konnten sich kaum konzentrieren, andere dafür umso besser. Jeder hatte seine Probleme und sein momentanes Befinden im „Blitzlicht“ kurz vorgestellt. Die meisten klagten über einen eher schlechten Zustand. Dennoch war es eine schöne Runde.
Mit A. fuhr ich dann, wie beim letzten Mal, nach Hause. Mit ihm verstehe ich mich am besten. Wir konnten auch über „normale“ Themen echt gut reden. Ich denke, das wird ganz gut. Generell sind die Treffen recht hilfreich für mich. Ich bereue es nicht. Am 6.7. ist wahrscheinlich der nächste Termin. Dann endlich Bogen schießen, was heute ja wieder ins Wasser fiel.

Das ist noch nicht das Ende

Unglaublich – das ist mein hundertster Eintrag. Ich hätte nie gedacht, soweit zu kommen.
An 364 Tagen im Jahr vermeide ich Körperkontakt zu anderen Menschen. Ich setze mich nicht freiwillig in Bus und Bahn neben Fremde, ich meide Augenkontakt, ich hasse es, angesprochen zu werden. Vermeidung, Ablehnung, Intoleranz. Ich weiß, dass ich daran arbeiten müsste. Das habe ich in der Therapie bei Frau M. schon so oft getan und in den Therapien zuvor. Es ist besser geworden, aber nicht verschwunden.
Jedenfalls ist dieses Wochenende das Straßenfest „Bunte Republik Neustadt“ im Dresdner Szeneviertel. Musik, Essen, Alkohol, ein Haufen verrückter Leute.
Da standen wir, in einer Menge von Leuten, umgeben von kiffenden, trinkenden, tanzenden Menschen. Die ersten Akkorde erklangen und die Menge bewegte sich erst langsam, dann immer schneller im Takt. Wie ein Crescendo ging die Bewegung erst langsam und leise los, um dann im Refrain in Pogo, slammen und moshen zu enden. Die ersten Stagediver bahnten sich ihren Weg über die Menge, wurden getragen, fallen gelassen, rappelten sich wieder auf um erneut auf die Bühne zu kommen. Und unter all diesen ich, mehrmals übergossen mit Bier aus Plastikbechern, mit dreckigen Schuhen vom Pogo, nass vom Regen.
Ich bin nicht oft auf Konzerten, obwohl ich Musik liebe. Obwohl ich es mag, den Bass zu spüren, die Klänge in mir aufzunehmen. Aber dieses eine Mal, wenn ich auf einem Konzert bin und mich innerlich wie äußerlich fallen lasse, kann ich für wenige Momente vergessen. Mich entfernen von den Gedanken, Problemen, Sorgen. Und einfach sein.

Akzeptanz

Die Woche war bisher recht ereignislos. Am Montag hatte ich wieder ein Einzelgespräch bei Locke. Wir haben über die Nachtängste geredet, Ursachen ergründet und Lösungen betrachtet. Wahrscheinlich wäre das Beste, an der Realitätsprüfung dran zu bleiben, denn es fällt mir immer noch oder wieder schwer, Geräusche und Gedanken als „real“ einzuschätzen. Ich denke die meisten können das auch verstehen, ohne psychotisch zu sein. Wenn ich etwas höre, ganz eindeutig, dann ist es da. Es ist definitiv da. Da gibt es keine Diskussion. Und wenn ich das erzähle, schaut mich Locke an, fragt mich noch einmal ob ich mir sicher bin und ob es nicht – zufällig – sein könnte, dass ich die Einzige bin, die es hört. Es tut weh, das gefragt zu werden. Es ist jedes Mal ein Stich in die Brust. Die sichere Erkenntnis, verrückt zu sein. Ich verstehe bis heute nicht wie das sein kann, was mit mir passiert. Vermutlich muss ich das Ganze vorerst akzeptieren.
Um Akzeptanz ging es auch am Mittwoch, als ich ein Vorgespräch für eine Borderline-DBT-Skillgruppe hatte. Die Psychologin war mir fremd, aber sie war charakterlich ähnlich wie Locke. Sie ist die zweite Psychologin in der PIA und ebenfalls noch eher jung. Ich kannte sie bisher nur vom sehen und von den Berichten anderer PIA-Patienten, die ich stationär kennengelernt habe. Sie erklärte mir den Sinn der Gruppe, wie weit sie sind, welche Themen behandelt werden etc. Vermutlich werde ich in die Montagsgruppe gehen, die 15 Uhr stattfindet.
Nachmittags war ich dann wieder in der Ergotherapie und habe mein Sitzkissen fertig gestellt. Jetzt muss es nur noch vernäht und gestopft werden.
Heute war ich mit Laura auf einem Reiterhof in Dresden-Weißig, wo wir einen Termin für Reitunterricht für nächste Woche ausmachen konnten. Ich bin ziemlich nervös, ich saß bestimmt vier Jahre nicht mehr im Sattel. Aber mal sehen, deswegen nehme ich ja Unterricht.

Wochenendausklang

Just in diesem Moment sitze ich im Regionalexpress Richtung Dresden Hauptbahnhof. Mir gegenüber ein grau-schwarzer Wanderrucksack und ein schlafender André.
Seit Mittwoch Abend war ich jetzt wieder in der Heimat. Länger als sonst. Zum einen, weil ich einen Arzttermin hatte, zum anderen weil ich einen Kulissenwechsel nötig hatte. Die Tage alleine zu Hause sind so einfältig und monoton. Die Zeit verrinnt so langsam.
Die Tage waren auch nicht aufregendv oder actionreich. Aber sie boten mir eine geschützte Umgebung. Ich hatte mehr Sicherheit, war nicht so sehr auf mich alleine gestellt.
Samstags waren meine Eltern, Laura, André und ich in Grimma bei Leipzig zum Stern Combo Meißen Konzert zum Musikzyklus „Bilder einer Ausstellung“. Auch wenn das Wetter teilweise nicht so schön war, war das Konzert erstklassig. Zufällig traf ich sogar eine Lehrerin vom Zwickauer Gymnasium.
Heute verschlug es mich dann nach Ortmannsdorf im Mülsengrund, wo der Tag des Pferdes in einem Stall war, wo ich früher manchmal geritten bin.
Morgen ist wieder ein PIA Termin angesagt. Time will tell…