Abschluss

Heute das letzte Gespräch in der Kontakt- und Beratungsstelle. Frau S. war froh, mich noch einmal vor der Ausbildung zu sehen. Und sie war froh, das es mir gut geht. Sie hatte es schon geahnt, weil mein ganzes Auftreten sich verändert hat. Weil ich offener bin. Sie hatte sich letztendlich gefreut, das es mir jetzt gut geht. Das die Depression, die Psychose bekämpft ist. Vorerst war das also ein Abschied. Ich werde jedoch wieder in die KBS gehen, wenn es mir wieder schlechter gehen sollte.

Das Böse

Ich frage mich, was noch in mir steckt. Ob etwas böses in mir schlummert. Ich dachte ja auch nicht, das die  Schizophrenie in mir steckt oder die Depression. Warum also sollte nicht auch das Potential eines Killers in mir sein? Oft habe ich das schon angesprochen. Dann hieß es, das sein unangenehme Zwangsgedanken. Das sei harmlos. Aber was, wenn nicht?

Graue Melancholie

Wenn das Wetter grau in grau ist, werden die meisten Menschen melancholisch, wenn nicht sogar depressiv verstimmt. Mich hingegen ergreift das Wetter ganz tief in mir. Wenn der Regen an die Fenster schlägt, wenn der Wind die Bäume vor meinem Fenster durchpeitscht, wenn die Welt zu versinken droht in diesem Grau. Dann zünde ich Kerzen an, brenne Räucherstäbchen ab, kehre in mich. Und versuche für einen Moment einfach ganz zu sein.
Draußen, im aufkommenden Herbst, kommt die graue Melancholie. Eine schwierige Zeit für mich. Die Zeit, in der die Depression zurück zu kommen versucht. Die Zeit, in der ich hoffe, weiterhin zu sein.

Spontanurlaub

Die Zeit rast in den letzten Wochen nur so dahin. So auch mein Spontanurlaub an die Ostsee. Letzte Woche Mittwoch startete unsere Reise in Dresden, mit dem Fernbus. 9 Stunden später waren wir in Usedom Stadt angekommen. Und am Sonntag ging es dann zurück. Mit dem Fernbus über Berlin zurück nach Dresden.
Ostsee
Gesehen:
– das Meer
– Bansin
– Ahlbeck
– den altbekannten Waldweg zum Meer
Gehört:
– Meeresrauschen
– Möwenschreie
– den „Juno“ Soundtrack
Gelesen:
– „Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins“ von Milan Kundera
Geträumt:
– von einer gefährlichen, im Sand lebenden schwarzen Schlange
– vom Sandburgen bauen

Nein, nein, nein!

So oder so ähnlich kam ich mir heute vor. Nein, nein, nein! Ich will kein Borderliner sein!
Ich weiß nicht warum, aber ich kann und will diese Diagnose, F60.31, nicht akzeptieren. Weder sehe ich mich als Borderliner, noch finde ich mich in ihr wieder. Ginge es nach mir, wäre ich einfach depressiv mit einer endogenen Psychose. Nicht mehr und nicht weniger. Das sagte ich heute auch Locke, die ich nach ihrem Urlaub vor drei Wochen zum erneuten Mal gesehen habe. Dennoch schätze ich das DBT-Programm, das ursprünglich für Borderline-Erkrankte entwickelt wurde, als sinnvoll ein. Locke akzeptierte meine Ansicht und meinte auch, das die Diagnose, sollte sie sich als endgültig falsch heraus stellen, aus dem Bericht genommen wird.
Irgendwie eine Erleichterung. Kein Borderline.

Die Wahrheit der Diary Card

Da liegen sie vor mir. Drei Diary Card (deutsch: Tagebuch-Karten), die Teil der DBT-Therapie sind. Dort trägt man seine Stimmung ein, die Stärke des Schneidedrucks oder der Suizidalität, ob man Bedarfsmedikamention gebraucht hat und was Positive Erlebnisse waren. Diese Karten führe ich jetzt schon drei Monate, die ich bei Locke DBT-Therapie mache.
Und wie sehen die Karten derzeit aus?
Natürlich gut. Weil meine Stimmung ziemlich gut ist. Ich habe keinen Druck, keine Suizidgedanken, nehme keinen Bedarf. Es ist einfach nicht notwendig. Es läuft einfach gut.
Morgen sieht Locke dann die Diary Cards der letzten drei Wochen, die sie im Urlaub war.
Gestern war ein ziemlich aufregender Tag. Früh war ich mit André in einem Spa, ein Geschenk meiner lieben D. Dort erwartete uns ein Frühstück, eine Massage und ein Saunagang. Es war wunderbar entspannend, man konnte richtig die Seele baumeln lassen.
Abends sind wir dann auf einen Mittelaltermarkt mit Konzerten gegangen. Dort fühlte ich mich pudelwohl und war sehr glücklich.
Die Tage vergehen und die Ausbildung rückt näher. Mit freudiger Erwartung warte ich. Auf die Tage, die alles verändern werden.

Ein offener Brief

Liebe Suizidgedanken,
Ich stehe am Gleis und der Zug fährt ein und nach so langer Zeit denke ich zum ersten Mal nicht mehr ernsthaft darüber nach, mich vor ihn zu stürzen.
Ich kann mehrere Tabletten in meinem Haushalt haben, ohne bei der täglichen Einnahme daran zu denken, sie alle auf einmal zu schlucken.
Ich schneide Zwiebeln mit einem meiner Küchenmesser, dabei verschwende ich keinen Gedanken daran, mir damit die Pulsadern aufzuschneiden.
Und auch wenn ein Polizist an mir vorbei läuft, schaue ich nicht instinktiv auf seine Waffe und überlege mir, wie ich sie entwenden könnte um mich hinzurichten.
Ich habe so viel Zeit in dich investiert. Tage und Nächte, Stunden um Stunden dachte ich an dich. Mit einer Mischung aus Angst, freudiger Erwartung, Hass, Liebe – all das empfand ich für dich. Gleichzeitig.
Du warst mir der rettende Anker auf stürmischer See. Wenn etwas nicht so lief, wie ich es mir vorstellte, dann war der Gedanke an dich meine Rettung aus der Flut von Gefühlen. Ich wurde selbstsicherer, es zu schaffen, wenn ich nur oft genug daran dachte – glaubte ich. Ich dachte mir, das die häufigen Gedanken an dich meine Entschlossenheit,  dir zu folgen verstärkten.
Dann kamen die Tage, an denen wir getrennt wurden.
Du warst mir auf einmal, plötzlich, fremd. Und das, obwohl ich mich so sehr nach dir verzehrte. Jeder Gedanke an dich war mir kostbar und heilig.  Ich dachte, ohne dich geht es nicht.
Dann kamen die Tage, an denen wir wieder zusammen fanden.
Und aus dieser Fremdheit hatte sich etwas entwickelt, was ich zuvor nicht von dir kannte. Du verlangtest so viel von mir. Ich war dir nicht mehr treu genug. Die Treue schwand, die Liebe, die Vertrautheit. Alles, was ich für dich empfand, war plötzlich anders.
Bis ich lernte, auch ohne dich auszukommen. Dieser Gedanke war erst wie eine kleine Flamme in meinem Inneren. Doch je öfter ich dich abwies, desto stärker glühte die Flamme in mir auf. Nun stehe ich vor dir und kann ein für alle mal sagen, dich nicht mehr zu brauchen.
Ich verlasse dich.
Für das Leben.
Es grüßt dich,
Anna

Übung

Übung macht bekanntlich den Meister. Das trifft für mich in zweierlei Hinsicht zu. Zum einen beim reiten. Gestern waren wir, Laura und ich, wieder in Weißig bei den Isländern. Ich bin Pipar, einen Rappwallach, geritten, den ich von meiner ersten Reitstunde kannte. Er ist im Gegensatz zu Palli ein ruhiger Geselle. Sein Tölt ist beinahe Schrittempo und sehr ausgeglichen. Hoffentlich kann ich nächste Woche wieder den etwas schnelleren Palli reiten. Dennoch war das reiten schön. Ich merke, wie ich langsam wieder rein komme, wie der Umgang leichter fällt, das reiten besser klappt und ich allgemein zufriedener bin.
Katzendienst war heute morgen das letzte mal. Eine andere Art der Übung. Durch Dresden touren, Schlüsselübergabe an Fremde, reagieren auf Einflüsse. Lernen mit Stress im Nacken umzugehen. Übung für die Ausbildung. Umgang mit Menschen. Umgang mit Stress.
Heute ist Geburtstagsfeier in Leipzig. Meine älteste Schwester feiert ihren 30. Geburtstag. Wird schön.

So kann es bleiben

Die Tage vergehen und ich befinde mich im Rythmus der Welt. Ich höre das sanfte Atmen, wenn die Stadt erwacht, spüre das pulsierende Herz, wenn die Nacht beginnt. Lebend, taumelnd, hoffend. Die Tage vergehen und ich warte. Auf die Ausbildung. Auf etwas, was meine Welt ins Wanken bringen wird. Ich weiß, das sich viel verändern wird. Aber ich kann nur abwarten, sehen wie es läuft. Und dann ein Urteil fällen.
Mir geht es gut. Wie lange habe ich das nicht mehr gesagt? Wie lange war ich nicht mehr zufrieden? Wie lange muss ein Mensch leiden, damit er irgendwann einmal wieder zur Ruhe kommt – innerlich, wie äußerlich.