Kaputt. Ausgelaugt.

Zwei Worte. Kaputt. Ausgelaugt.
Ich sitze mit Cola vor dem PC. Mal wieder. Die Augen müde vom betrachten der winzig erscheinenden Buchstaben. Ich zwinkere eine Träne weg, die sich bildet, als ich zu lange auf den Quellcode vor mir schaue. Ablenken. Irgendwie. Programmieren? Hilft.
Die Nachricht des Tages: Meine Fresse, was hast du mit deinen Armen gemacht?
Ich weiß. Ich trage kurze T-Shirts, im Sport, in der Klasse, überall. Man sieht es. Ich weiß das. Aber warum diese Fragen?
Die Berufsschule schafft mich. Jeden Tag kaputt. Jeden Tag ausgelaugt. Jeden Tag zeitig ins Bett fallen, weil ich nicht mehr kann. Nächsten Tag klingelt der Wecker 5:30 Uhr. Aufstehen. Zähne putzen.

Alles auf Anfang

Nervös stolpere ich in das große Gebäude, gebaut aus gelblichen Stein. Links, rechts, vor und hinter mir Menschen. Junge Männer. In den Händen ihre Taschen, Laptops, Hefter.
Darunter ich.
Ich frage den Lehrer, der in der Eintrittshalle steht, wo ich hin muss.
Merken. B414. 4. Etage. Kleiner Raum mit Blick auf die Stadt. Merken.
Ich setze mich. Andere Schüler treten ein. 22 junge Männer. Die meisten dunkelhaarig mit Brille. Klischee, denke ich.
Unterricht beginnt. Lehrer tritt ein, stellt sich vor, Guten Tag.


Nächster Tag. Erkenne kaum jemanden wieder. Alles Fremde.
Geschäftsprozesse. Englisch. Sport. Erarbeiten von Anwendungen.
Alles Theorie.
Frage mich, ob die nächsten Tage in der Berufsschule anders werden. (Werden sie nicht).
Frage mich, ob die Ausbildung im Betrieb besser wird.
Das wäre schön.

Akut

Ein Gespräch mit einer anderen Betroffenen hat mich darin erinnert, welche riesigen Fortschritte ich in diesem Jahr gemacht habe. Was alles nicht möglich war. Was ich nicht konnte. Was einfach nicht mehr  selbstverständlich war für mich.
– Lesen. War viele Monate mehr eine Qual als eine Freude. Eigentlich lese ich viel und gerne, aber letztes Jahr habe ich vollkommen die Freude daran verloren. Mit Kinderbüchern habe ich mich dann langsam wieder heran getastet. Und letztendlich, außerhalb der akute Phase, war es wieder möglich.
– Logik. Meine Schwester verließ kurz den Raum um etwas zu holen. Dieses kurze verlassen konnte ich nicht logisch einordnen und fragte, während sie zur Tür lief, wo sie hin ist. Das war bei den ersten Besuchen auf der Geschlossenen.
– Reden. Lange Zeit konnte ich mich schwer artikulieren, war verwirrt durch die Rede anderer Menschen. Ich konnte nicht frei reden sondern überlegte immer jedes mal, wie ich etwas artikuliere.
– Zukunft. Lange Zeit dachte ich, jetzt ist mein Leben, wie ich es kannte, vorbei. Ich war nicht fähig, zukunftsorientiert zu denken. Mein Leben war zu Ende. Ich suizidal. Ich war einfach unfähig, über den Tellerrand zu blicken.
– Emotionen. Ich war innerlich einfach abgestumpft. Mein Antrieb war im Eimer, ich total depressiv. Meine Emotionen bewegten sich im immer gleichen Rahmen. Nämlich von richtig beschissen zu noch beschissener. Alles war grau in grau.
Und jetzt?
Lese wieder gerne. Kann mich artikulieren. Ich bin froh, zu leben.

Abschluss

Heute das letzte Gespräch in der Kontakt- und Beratungsstelle. Frau S. war froh, mich noch einmal vor der Ausbildung zu sehen. Und sie war froh, das es mir gut geht. Sie hatte es schon geahnt, weil mein ganzes Auftreten sich verändert hat. Weil ich offener bin. Sie hatte sich letztendlich gefreut, das es mir jetzt gut geht. Das die Depression, die Psychose bekämpft ist. Vorerst war das also ein Abschied. Ich werde jedoch wieder in die KBS gehen, wenn es mir wieder schlechter gehen sollte.

Das Böse

Ich frage mich, was noch in mir steckt. Ob etwas böses in mir schlummert. Ich dachte ja auch nicht, das die  Schizophrenie in mir steckt oder die Depression. Warum also sollte nicht auch das Potential eines Killers in mir sein? Oft habe ich das schon angesprochen. Dann hieß es, das sein unangenehme Zwangsgedanken. Das sei harmlos. Aber was, wenn nicht?

Graue Melancholie

Wenn das Wetter grau in grau ist, werden die meisten Menschen melancholisch, wenn nicht sogar depressiv verstimmt. Mich hingegen ergreift das Wetter ganz tief in mir. Wenn der Regen an die Fenster schlägt, wenn der Wind die Bäume vor meinem Fenster durchpeitscht, wenn die Welt zu versinken droht in diesem Grau. Dann zünde ich Kerzen an, brenne Räucherstäbchen ab, kehre in mich. Und versuche für einen Moment einfach ganz zu sein.
Draußen, im aufkommenden Herbst, kommt die graue Melancholie. Eine schwierige Zeit für mich. Die Zeit, in der die Depression zurück zu kommen versucht. Die Zeit, in der ich hoffe, weiterhin zu sein.

Spontanurlaub

Die Zeit rast in den letzten Wochen nur so dahin. So auch mein Spontanurlaub an die Ostsee. Letzte Woche Mittwoch startete unsere Reise in Dresden, mit dem Fernbus. 9 Stunden später waren wir in Usedom Stadt angekommen. Und am Sonntag ging es dann zurück. Mit dem Fernbus über Berlin zurück nach Dresden.
Ostsee
Gesehen:
– das Meer
– Bansin
– Ahlbeck
– den altbekannten Waldweg zum Meer
Gehört:
– Meeresrauschen
– Möwenschreie
– den „Juno“ Soundtrack
Gelesen:
– „Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins“ von Milan Kundera
Geträumt:
– von einer gefährlichen, im Sand lebenden schwarzen Schlange
– vom Sandburgen bauen

Nein, nein, nein!

So oder so ähnlich kam ich mir heute vor. Nein, nein, nein! Ich will kein Borderliner sein!
Ich weiß nicht warum, aber ich kann und will diese Diagnose, F60.31, nicht akzeptieren. Weder sehe ich mich als Borderliner, noch finde ich mich in ihr wieder. Ginge es nach mir, wäre ich einfach depressiv mit einer endogenen Psychose. Nicht mehr und nicht weniger. Das sagte ich heute auch Locke, die ich nach ihrem Urlaub vor drei Wochen zum erneuten Mal gesehen habe. Dennoch schätze ich das DBT-Programm, das ursprünglich für Borderline-Erkrankte entwickelt wurde, als sinnvoll ein. Locke akzeptierte meine Ansicht und meinte auch, das die Diagnose, sollte sie sich als endgültig falsch heraus stellen, aus dem Bericht genommen wird.
Irgendwie eine Erleichterung. Kein Borderline.