Entlassung

Heute Entlassung nach der Woche Krisenintervention. Diese Woche bin ich um einiges ruhiger geworden, weniger ängstlich. Habe etwas Vertrauen zu mir selbst gefunden und Zukunftspläne geschmiedet. Vermutlich werde ich die Ausbildung bei der Telekom nicht weiter führen. Erst einmal ein Jahr Bundesfreiwilligendienst machen, danach weiter sehen.
Heute geht es zurück zu Bea, dann nach hause zu Yogi. Morgen ist Schandmaul-Konzert angesagt. Freue mich drauf.

Drei Haselnüsse für Anna

Psychiatrie ist anstrengend. Die  Anspannung geht kaum runter. Dauerstress. Doch dann, wenn man die Geduld hat zu warten, ein Lichtblick.
Zuerst der Besuch meiner Lieblingsmenschen André und S.
Dann die Suche nach der Formel des Lebensglücks mit B., die mit mir in einem Zimmer war. Hier unsere Erkenntnis: Lebe deine Impulse! So lange es niemanden schadet. Wahre Liebe, Vertrauen und Respekt in jeder deiner Beziehungen!“
Sie war es auch, die mir drei Wunsch-Haselnüsse wie in meinem Lieblingsmärchen „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ schenkte.
Interessante Gespräche, nette Menschen. Das ist es, was ich aus der Psychiatrie mit nehme. Neben der Anspannung. Neben dem Dauerstress.
Ein weiterer Lichtblick. Der geistig behinderte Mann O. Ein wahrer Sonnenschein. Er begrüßte mich als erstes und fragte dann immer wieder, wie es mir geht. Dann heute ein längeres Gespräch. Er nahm meine Arme, streichelte die Narben und fragte: „Musste…das…sein? “ Ich sagte ja. Mir ging es nicht gut, damals. Ich erklärte ihm, weswegen ich angefangen habe. „Was? Die haben dich gehaun‘? So ein liebes Mädel wie dich haut man doch nicht! „
Gerade liege ich in meinem Zimmer, höre Radio. Am Freitag lasse ich mich entlassen. Ich sitze hier nur meine Zeit ab. Dafür lerne ich nette, interessante Menschen kennen.
Am Montag dann ein Gespräch mit Locke. Mal sehen wie es weiter geht.

Krisenintervention

Psychiatrie, Klappe die sechste.
Die Angst hat mich eingeholt. Zitternd, schwitzend, weinend saß ich vor Locke. Konnte kaum reden. Die Angst lähmt.
Station 83, zum zweiten Mal.
Vermutlich werde ich mich erst einmal zurück ziehen, Kräfte sammeln, zur Ruhe kommen. Mich innerlich mit der Angst auseinander setzen.
Ich warte noch auf das Aufnahmegespräch mit dem Arzt. Dann sehe ich weiter.
Freitag planmäßige Entlassung, Montag Gespräch mit Locke. Bis dahin Krankenschein. Eigentlich müsste ich morgen zum ersten Mal in den Betrieb zum arbeiten. Aber das fällt der Angst zum Opfer.

Chaosgedanken

Gerade geht alles kaputt. Alles den Bach hinunter. Ich habe Monate gewartet, bis die Ausbildung los geht. Und nun, da sie angelaufen ist, wünsche ich mir, ich hätte sie nie begonnen. Ich komme mit meinen Mitschülern nicht zurecht, sie lästern alle über mich oder rufen mir etwas entgegen wenn ich an ihnen vorbei laufe. Alles, was mich ausmacht, wird dazu genutzt mich irgendwie zu hänseln. Ich habe Narben (man redet darüber, spricht mich negativ darauf an). Ich bin Vegetarier, fast sogar Veganer (dumme Sprüche, schlechte Witze, die mich beleidigen sollen). Ich habe rote Dreads und Piercings (im Sportunterricht macht mich erst der Lehrer, dann die Schüler deswegen schlecht).
Ich möchte nicht mehr. Ich fühle mich zurück versetzt in die achte Klasse, wo alles, was ich tat, falsch war und dazu genutzt wurde, mich fertig zu machen.
Ich habe eine unbeschreibliche Angst. Als würde ich ständig Achterbahn fahren oder auf einer hohen Plattform stehen. Und das dauerhaft. 24 Stunden am Tag. Und das seit Tagen. Die Strahlung der Computer? Wer will mir schaden? Wer macht diese Angst in mir?
Und dann die Aussicht wieder auf Arbeit zu müssen. Ich will nicht. Am liebsten würde ich eine Grippe vorspielen und mir einen Krankenschein holen und nicht dort auftauchen. Ich kann das nicht mehr aushalten. Ich zerberste in tausend Teile. Ich will einfach nicht mehr.
Was soll ich nur machen? Morgen ein neuer Tag, eine neue Woche. Am Dienstag beginnt die Ausbildung im Betrieb. Morgen frei. Ich werde morgen früh so zeitig wie möglich in der PIA anrufen und fragen, ob ich einen kurzfristigen Termin bekommen kann. Ich halte das nicht mehr aus. Einfach Locke mein Leid klagen. Danach zu einer guten Freundin gehen und einfach reden.
Angst breitet sich aus. Die Gedanken fließen wie ein schwarzer Strom zwischen meinen Gehirnhälften. Ich nehme Bedarf und warte. (Nichts geschieht). Ich rede mit Vertrauten. (Die mir nicht helfen können).
Die Nächte sind voller Alpträume und verquerten Situationen.
Und diese Angst. Diese unbeschreibliche Angst.

Kaputt. Ausgelaugt.

Zwei Worte. Kaputt. Ausgelaugt.
Ich sitze mit Cola vor dem PC. Mal wieder. Die Augen müde vom betrachten der winzig erscheinenden Buchstaben. Ich zwinkere eine Träne weg, die sich bildet, als ich zu lange auf den Quellcode vor mir schaue. Ablenken. Irgendwie. Programmieren? Hilft.
Die Nachricht des Tages: Meine Fresse, was hast du mit deinen Armen gemacht?
Ich weiß. Ich trage kurze T-Shirts, im Sport, in der Klasse, überall. Man sieht es. Ich weiß das. Aber warum diese Fragen?
Die Berufsschule schafft mich. Jeden Tag kaputt. Jeden Tag ausgelaugt. Jeden Tag zeitig ins Bett fallen, weil ich nicht mehr kann. Nächsten Tag klingelt der Wecker 5:30 Uhr. Aufstehen. Zähne putzen.

Alles auf Anfang

Nervös stolpere ich in das große Gebäude, gebaut aus gelblichen Stein. Links, rechts, vor und hinter mir Menschen. Junge Männer. In den Händen ihre Taschen, Laptops, Hefter.
Darunter ich.
Ich frage den Lehrer, der in der Eintrittshalle steht, wo ich hin muss.
Merken. B414. 4. Etage. Kleiner Raum mit Blick auf die Stadt. Merken.
Ich setze mich. Andere Schüler treten ein. 22 junge Männer. Die meisten dunkelhaarig mit Brille. Klischee, denke ich.
Unterricht beginnt. Lehrer tritt ein, stellt sich vor, Guten Tag.


Nächster Tag. Erkenne kaum jemanden wieder. Alles Fremde.
Geschäftsprozesse. Englisch. Sport. Erarbeiten von Anwendungen.
Alles Theorie.
Frage mich, ob die nächsten Tage in der Berufsschule anders werden. (Werden sie nicht).
Frage mich, ob die Ausbildung im Betrieb besser wird.
Das wäre schön.

Akut

Ein Gespräch mit einer anderen Betroffenen hat mich darin erinnert, welche riesigen Fortschritte ich in diesem Jahr gemacht habe. Was alles nicht möglich war. Was ich nicht konnte. Was einfach nicht mehr  selbstverständlich war für mich.
– Lesen. War viele Monate mehr eine Qual als eine Freude. Eigentlich lese ich viel und gerne, aber letztes Jahr habe ich vollkommen die Freude daran verloren. Mit Kinderbüchern habe ich mich dann langsam wieder heran getastet. Und letztendlich, außerhalb der akute Phase, war es wieder möglich.
– Logik. Meine Schwester verließ kurz den Raum um etwas zu holen. Dieses kurze verlassen konnte ich nicht logisch einordnen und fragte, während sie zur Tür lief, wo sie hin ist. Das war bei den ersten Besuchen auf der Geschlossenen.
– Reden. Lange Zeit konnte ich mich schwer artikulieren, war verwirrt durch die Rede anderer Menschen. Ich konnte nicht frei reden sondern überlegte immer jedes mal, wie ich etwas artikuliere.
– Zukunft. Lange Zeit dachte ich, jetzt ist mein Leben, wie ich es kannte, vorbei. Ich war nicht fähig, zukunftsorientiert zu denken. Mein Leben war zu Ende. Ich suizidal. Ich war einfach unfähig, über den Tellerrand zu blicken.
– Emotionen. Ich war innerlich einfach abgestumpft. Mein Antrieb war im Eimer, ich total depressiv. Meine Emotionen bewegten sich im immer gleichen Rahmen. Nämlich von richtig beschissen zu noch beschissener. Alles war grau in grau.
Und jetzt?
Lese wieder gerne. Kann mich artikulieren. Ich bin froh, zu leben.