Abschied

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Meine Ratte Hermine wurde heute wegen einem Gehirntumor eingeschläfert.
Mach’s gut, meine Süße. Wir sehen uns wieder, am Ende der Regenbogenbrücke.

Schema F

Irgendwie laufen die Therapiesitzungen in letzter Zeit sehr gleichförmig ab.
Hallo. Wie geht`s. Zeigen Sie Ihre Diary Card. Verhaltensanalyse. Tschüss.
Ich weiß nicht, ob ich diese Routine gut oder schlecht finden soll. Ob es mir hilft oder eher kontraproduktiv ist. Die Frage nach der Hilfe kann ich in schätzungsweise 25 Sitzungen beschließen. So lange soll die DBT anfangs dauern, aber sie kann auch verlängert werden. Immer noch nicht kann ich mich mit DBT und Borderline anfreunden. Zu befremdlich ist der Begriff. Borderline? Das haben Andere, schlimmere Fälle. Ich doch nicht! Sowieso. Ich simuliere doch nur. Ich habe doch gar nichts. Behinderung? Weswegen? Wegen den kleinen Problemchen? Sowieso. Eigentlich geht`s dir doch gut. Was hast du denn? So könnte es doch weiter gehen.
Das jeder Tag ein Kampf mit mir selbst ist, scheint keiner zu sehen. Wie belastend es ist, diese Stimmen zu hören. Sie haben sich etwas Neues einfallen lassen. Diagnosen stellen. Da hört man Worte, die einen tief verletzen. „Die ist doch schizophren!“ Dennoch. Irgendwie komme ich mir einerseits vor wie ein Simulant, andererseits habe ich Angst, das keiner sieht, wie es mir wirklich geht.
Meine Suizidgedanken sind sehr stark in diesem Augenblick. Dabei habe ich den Vertrag unterschrieben, mir bis zum 13.11.2015 nichts anzutun, keinen Versuch zu unternehmen.
Was wäre jedoch, wenn es nicht bei einem Versuch bleibt?

Die Sache mit der Behinderung

Die Tage ohne Beschäftigung vergehen und die Ängste vor der Ausbildung wachsen. Ich warte auf diesen magischen Tag, den 1. September, denke daran wie ich mich verhalten soll, wen oder was ich darstellen möchte, wie ich mich präsentieren soll. Stark oder schwach? Begabt oder ohne Vorerfahrung? Interessiert oder offen für Alles? Ich habe meine Traumstelle, eine Ausbildung die mich interessiert, aber dennoch sind da Ängste. Und diese Ängste sind anzugehen – fand ich, meine Mutter ebenso. Also kam sie mit nach Dresden und wir gingen gemeinsam zum Arbeitsamt. Dort erwartete uns eine sehr lange Schlange vor dem Schalter der Integrationsamts. Aber meine Mutter, die sehr gut mit Menschen reden und umgehen kann, schaffte es in einem kurzen Gespräch, dass wir innerhalb einer Viertelstunde zum Chef der Abteilung kamen.
Im Gespräch mit diesem stellte sich heraus, welche Möglichkeiten es gibt. Wäre ich körperlich behindert könnte ich einen höhenverstellbaren Tisch anordern. Hätte ich keinen Ausbildungsplatz könnte ich vom Amt vermittelt werden. Da ich aber psychisch eingeschränkt bin, wird mein Weg zum Grad der Behinderung führen. Durch diesen habe ich Kündigungsschutz, der Arbeitgeber bekommt Geld, wenn er mich als Behinderte einstellt, ich habe mehr Urlaub…viele Vorteile. Die Nachteile wollten wir heute bei einem weiteren Gespräch erfahren. Dazu hatten wir einen Termin bei einer Berufsberaterin auf dem Arbeitsamt. Sie war ebenso wie der andere Berater sehr nett und verständnisvoll. Hier bestätigte sich die Aussage, dass der GdB der einzige und womöglich beste Weg sei, um Unterstützung während der Ausbildung und Hilfen bei erneuter Krankheit zu bekommen.
Also fuhren wir zum Sozialamt und holten uns den Erstantrag für die Behinderung.
Mal sehen…
Nächste Woche habe ich außerdem das Gespräch mit der zuständigen Beraterin für das Ambulant Betreute Wohnen.
Es wird sich demnach viel ergeben in nächster Zeit. Ich bin aufgeregt. Was sagt wohl Locke dazu?

Ein Fazit

Heute ist mein letzter Tag, an dem ich 18 Jahre alt bin.  Schon irgendwie verrückt. Irgendwie seltsam. Ich denke an diesem Tag, an jedem 17. Mai immer noch einmal zurück. Ziehe ein Fazit, überlege was mir das letzte Jahr gebracht hat.
Letztes Jahr im Mai war ich ein einziges Wrack. Es war Abitur-Zeit und ich musste noch Englisch und Geschichte mündlich prüfen. Beide Prüfungen liefen viel besser als erhofft. Dann verging einige Zeit, in der ich mich als Chefredakteur der Abizeitung total aufgab. Es gab viel Streit, viel Arbeit, viel zu tun. Und langsam schlich sich, äußerst  unpassend, die Depression in mein Leben ein. Zeit verging, bis der Abiball statt fand. Der große Tag. Das offizielle Ende der Schulzeit. Es war ein unheimlich toller Abend. Ich  verabschiedete mich nicht nur von meinen Schulkameraden, sondern auch von meiner Zeit als Jugendliche. Bald würde ich erwachsen und auf mich selbst gestellt sein.
So kam es auch. Im August zog ich von zu Hause aus und lebte einige Wochen bei meinem Freund, bis ich selbst eine Wohnung fand. So schön das auch war, aber bald schon folgte der Beginn der Psychose. Ich konnte nicht mehr schlafen, war total verängstigt, dissoziierte oft und war depressiv. Irgendwie schaffte ich es, die Tage rum zu bekommen. Aber es zeichnete sich ein Bild ab, das aufzeigte, das es abwärts ging.
Ab Oktober dann – Psychiatrie. Und das mit nur wenigen Tagen Pause bis Anfang Mai. Mein 18. Lebensjahr verbrachte ich also zum Großteil in der Psychiatrie. Ich war zu Samhain in der Psychiatrie, zu den Adventssonntagen, zu Weihnachten, zu Neujahr, zum Valentinstag, zu Ostern.
Aber irgendwie hab ich es geschafft. Und nun sitze ich hier, ziehe ein Fazit. Kann nur hoffen, dass nächstes Jahr besser wird.

Auf dem Weg zum ABW

Heute kam ich halb neun mit Laura in Dresden an, nachdem wir den Montag und die Nacht zum Dienstag bei meiner ältesten Schwester in Leipzig verbracht haben. Dort feierten wir den Geburtstag unseres Vaters. Es war echt schön.
Leider konnte ich die letzten Tage immer noch nicht besser schlafen. Ich hoffe, das pendelt sich bald ein. Damit ich endlich mal wieder Ruhe habe. Zwar habe ich im Zug kurz geschlafen, weil ich so geschafft war, aber dort ist man ja eher in einem Halbschlaf, indem man sich kaum bis gar nicht erholen kann.
Nachdem wir angekommen waren liefen wir vom Bahnhof aus zur Straßenbahn. Wir waren auf dem Weg zu einer Kontakt- und Beratungsstelle in Dresden. Leider kam bei de Termin nicht allzu viel rum. Zwar empfahl mir die Sozialarbeiterin, dass das Ambulant Betreute Wohnen (kurz: ABW) eine gute Möglichkeit für mich wäre, aber die anderen Fragen wie zu weiteren Unterstützungen konnte sie mir nicht beantworten. Bald soll ich beim ABW, das zum selben Träger wie die Beratungsstelle gehört, anrufen und einen Termin vereinbaren. Für den Erstantrag muss ich zur Amtsärztin und dort werde ich dann untersucht. Außerdem muss ich zum Sozialpsychiatrischen Dienst und mich an andere Sozialarbeiter wenden…glaube ich. Es waren einfach zu viele Informationen! Ich war sehr aufgeregt und musste eigentlich die ganze Zeit weinen. Das sieht mir eigentlich gar nicht ähnlich, da ich normalerweise kaum Emotionen zeige.
Morgen dann habe ich wieder einen Termin bei Locke in der PIA. Vor allem die beängstigenden Situationen stehen derzeit im Vordergrund und ich werde sie definitiv ansprechen. Die Nächte sind wieder besonders schlimm. Ich weiß nicht, inwieweit die Angst vor der Nacht normal ist und inwieweit nicht mehr. Aber das ich wieder viele Sachen höre, ist sicherlich nicht mehr „normal“.

Schlafen oder nicht Schlafen, das ist hier die Frage

Ganz frei von Shakespeare zitiert.
Ich weiß nicht, warum das auf einmal wieder los geht. Warum ich einfach nicht schlafen kann. Seit ungefähr vier, fünf Tagen schlafe ich, wenn ich optimistisch rechne, auf knappe vier Stunden Schlaf. Eindeutig zu wenig, beinahe die Hälfte von dem, wie lange ich früher geschlafen habe. Mittlerweile lege ich mich zwei Uhr nachts ins Bett und versuche, ein wenig herunter zu fahren und mich zu ermüden. Mein absoluter Lieblingstrick dazu ist es, zu lesen. Normalerweise fallen mir dann irgendwann die Augen zu, weil ich müde werde. Aber so ist es derzeit nicht. Ich könnte bis zum Morgengrauen lesen, vermute ich, ohne, dass ich müde werde. Aber ich will schlafen. Ausruhen. Einfach einmal am Tag Ruhe haben. Fliehen vor der ständigen Angst und der inneren Unruhe. In eine Welt gehen, in der es das anscheinend nicht gibt. Wenn ich allerdings schlafe, träume ich. Und ich hasse es, zu träumen. Denn es endet meistens in Albträumen, aus denen ich irgendwann völlig verwirrt und desorientiert erwache.
Hinzu kommt, dass ich heute wieder eine seltsame Situation hatte. Es war ungefähr um vier und ich bin gerade aus einem Albtraum erwacht. Auf einmal hörte ich klar und deutlich eine Stimme, die über den Traum redete. Ich bin mir wirklich nicht sicher, ob ich nicht doch noch geträumt habe und das geträumt habe, oder ob die Halluzinationen in einer ganz anderen Tragweite zurück kommen. Ich hatte solche Angst. Es fühlte sich an, als wäre ich gelähmt und könnte mich nicht regen. Und dann diese (ausnahmsweise) männliche Stimme. Ich hatte Angst. Ich habe Angst.

And for a moment, I’m happy…

…but when I’m alone, no one hears my cry.

Morgen werde ich zum Chirurgen müssen, da die neun Wunden, die erst letzte Woche in der Notaufnahme geklammert werden mussten, sich stark entzündet haben, schmerzen, eitern und einfach nicht mehr tragbar sind. Eigentlich hätte ich am Freitag einen Termin, aber da werde ich wahrscheinlich das Katzenhaus Luga besichtigen, wo ich bald ehrenamtlich die Katzen versorgen werde. Das ist in letzter Zeit der einzige Lichtblick. Endlich kann ich etwas machen, was ich gut kann, was sinnvoll ist, was mich fordert. Ich freue mich so, dass das wahrscheinlich klappt.

I need you to know
I’m not through the night
Some days I’m still fighting to walk towards the light
I need you to know
That we’ll be okay
Together we can make it through another day

Ich verbringe meine Tage allein. Das alleine wohnen ist schön auf der einen Seite und schrecklich auf der Anderen. Ich komme mit meinem Haushalt nicht zurecht, darf mir anhören wie unordentlich es bei mir ist und wie dreckig. Aber ich fühle mich einfach überfordert. Vielleicht wird sich das bald ändern. Nächste Woche werde ich zu einem ambulanten Pflegezentrum gehen und mich über Ambulant Betreutes Wohnen informieren. Vielleicht wäre das die Unterstützung, die ich derzeit einfach brauche. Dabei begleitet mich meine eigene, persönliche Sozialarbeiterin Laura.
Die Therapie diese Woche bestand daraus gemeinsam die Kriterien für Borderline durchzugehen und zu betrachten, welche Anteile meiner Krankheit dazu gehören und welche nicht. Von 9 Kriterien erfülle ich 5 – die Mindestanzahl, um die Diagnose zu stellen. Ich habe jahrelang gekämpft, diese Diagnose nicht zu bekommen und jetzt steht sie fest. Es ärgert mich immer noch, dabei weiß ich nicht einmal, weswegen ich unbedingt nicht Borderlinerin sein möchte.

You should know you’re not on your own
These secrets are walls that keep us alone
I don’t know when but I know now
Together we’ll make it through somehow

Superchick – Courage