Beim Chirurgen

ACHTUNG. Triggergefahr.

Heute war mein Arzttermin in der Chirurgie im hiesigen Einkaufscenter. Ich war, wie immer, und das ist wahrscheinlich auch für mich nicht allzu verwunderlich, sehr aufgeregt. Dennoch stand ich zeitig auf um mich darauf vorzubereiten. Auch wenn ich Angst hatte, wollte ich die störenden Klammern unbedingt loswerden. Im Vorfeld hatte ich mich über die Taktik des Entklammerns informiert, damit ich kein böses Erwachen habe.
Also ging ich zum Einkaufscenter, wie immer zu zeitig, ging zur Anmeldung und wartete. Nach einer knappen halben Stunde wurde ich in ein Untersuchungszimmer gerufen. Ich zog meinen Pulli aus und sah, wie die Augen der Schwester, die mich versorgen sollte, immer größer wurden.

„Meine Güte, wie lange machen Sie das schon?“

Ich erzählte, dass ich mich mittlerweile seit sechs Jahren selbst verletze, was meine Gründe sind, wie meine Diagnosen lauten. Sie desinfizierte derweil die vom Eiter verklebten Wunden und warnte mich vor, dass es brennen könnte. Ich finde das ja immer wieder extrem niedlich. Bei der Desinfektion kann es durchaus vor kommen, dass die Wunden brennen. Aber ich hatte der Schwester ja erzählt, dass die Wunden alle von mir selbst stammen. Und dann warnt sie mich vor diesem kleinen Brennen vor. Ich weiß, dass sie das sagen müssen. Das man den Patienten nicht einfach ohne Vorwarnung desinfiziert. Aber irgendwie finde ich das dennoch niedlich, in Anbetracht der Tatsachen.

„Verdammt, die sind aber tief…wie machen Sie das? Mit Klingen?!“

Dann verließ mich die Schwester vorerst und der Arzt, ein Mann von ungefähr 50 Jahren, kam herein. Er klopfte mir auf die Schultern, schüttelte mit dem Kopf, sagte, die Wunden seien reizlos und gut verheilt und ich soll froh sein, dass sie sich nicht entzündet haben. Er hatte nur kurz Zeit für mich und verließ den Raum alsbald. Nun kam die Schwester wieder zu mir und wir redeten. Vor allem interessierte sie sich, wie lange ich in Therapie bin (seit fünf, sechs Jahren mittlerweile), was meine Gründe sind (hier nannte ich vor allem das Mobbing, sagte aber die Psychose sei endogen und auch ein Grund für das SVV) und wie lange meine stationären Aufenthalte dauerten (seit Oktober bis jetzt war ich ja fast durchgängig in der Klinik). Dann nahm sie die Zange, die für Klammern konzipiert ist, und entfernte sie rund um die neun Wunden. Es tat nicht weh, blutete aber. Außerdem quoll das Eiter aus den Löchern, in denen zuvor die Klammern gesteckt hatten.

„Ich sag Ihnen nicht ‚Auf Wiedersehen‘, denn eigentlich will ich Sie nicht noch einmal wieder sehen. Tun Sie sich das bitte nicht erneut an. Tschüß.“

Damit verließ ich die Chirurgie fürs erste. Ich war froh, dass der Arzt und die Schwester so verständnisvoll waren. So menschlich. So freundlich und hilfsbereit.

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