I – Woche 17 – Tagesklinik

Nun ist es soweit. In einer Woche werde ich entlassen. Nachdem ich das Wochenende seit längerer Zeit mal wieder zu Hause, in der Heimat, war, werde ich meine letzten Tage in der Tagesklinik beginnen.
Manche Therapien werde ich definitiv vermissen, auf andere kann ich hingegen durch aus verzichten. Dabei muß ich unter anderem an die Körperübungen der Tanz- und Musiktherapie denken. Das ist einfach nichts für mich. Ich fühle mich bei solchen Dingen einfach unwohl.
Die Gespräche bei dem  Psychologen der Tagesklinik waren auch sehr hilfreich. Besser, als die Psychologen der anderen Stationen. Ich bin ihm dafür sehr dankbar, da mich die wenigen Stunden, die ich bei ihm hatte, sehr viel weiter gebracht haben.
Dafür war die Visite heute recht sinnlos. Ich habe meine derzeitigen Probleme  dargelegt, jedoch bekam ich nur Standard-Antworten und den Hinweis, einfach weiter an den Therapien Teil zu nehmen.
Heute war Entspannung in Form von Progressiver Muskelrelaxation nach Jacobsen. Leider hatte ich im Kopf keine Ruhe und wurde ständig beim Namen gerufen. Manchmal sind die Stimmen recht einfallslos. Genau so war es im Kino. Ich hatte einfach keine Ruhe. Mittlerweile geben sie mir Gedanken als eine Art „Kommentare“ oder Hinweise. So durfte ich mir anhören, dass ich mich nicht so haben soll. Oder auch, dass ich mir doch einfach die Pulsadern aufschneiden soll. Na Danke.
Ich kam heute zu spät in die Tagesklinik, weil ich zum zweiten Mal verschlafen habe. Hoffentlich steht das nicht im Arztbrief wie bei meinem ehemaligen Mitpatienten D. Bei ihm wurde seine „mangelnde Bereitschaft an den Therapien“ daran gemessen, obwohl er einfach Depressionen hatte und es ihm schwer fiel aus dem Bett zu kommen. Manchmal sind die Ärzte schon sehr frech, wenn es um die Arztbriefe geht. Man kann nur hoffen, dass meiner „netter“ wird.

Nebelzeit

Ich habe bereits einen Blogbeitrag mit dem Titel „Der Beginn“ geschrieben. Darin schilderte ich den Anfang meiner schizophrenen Psychose. Aber eigentlich begannen meine psychischen Probleme schon viel zeitiger. Dabei kann ich nicht abschätzen, wann „normales“ Verhalten aufgehört hat und „krankes“ Verhalten begonnen hat. Ich kann nur noch rückblickend sagen, wie es in meiner Erinnerung ist.
Damals, vor 6 Jahren, war ich ein ziemliches normales, wenn auch störrisches Mädchen, dass sich gerade im Übergang zur Pubertät begann. Die ersten Pickel, der erste Liebeskummer, die Umwandlung des eigenen Körpers – alles Baustellen, die seit jeher für junge Mädchen schwierig sind, für Heulkrämpfe und Nervenzusammenbrüche sorgen, die Freundinnen strapazieren und die Beziehung zu den Eltern auf eine harte Probe stellen. Ich kam gerade in die achte Klasse. Dies war etwas ganz besonderes, denn ich nahm an einem „Experiment“ des Freistaates Sachsen teil, das Schülern ermöglichen sollte, während der Schulzeit eine Ausbildung zum Assistent für Informatik zu machen. Die neue Klasse, in die ich kam, war eine bunte Mischung aus den anderen 4 Klassen. Nur wenige kannten sich, der Rest war sich unbekannt. Auch ich kam ohne bestehende Freundschaften in diese neue Klasse. Die ersten Wochen liefen richtig gut. Ich fand neue Freunde, machte viele Späße, alberte in den Pausen rum und strapazierte die Lehrer. Leider ging es zu dieser Zeit meiner Großmutter, zu der ich eine ganz besondere Beziehung hatte, körperlich sehr schlecht. Aber ich konnte diese negativen Schwingungen gut abfangen, denn es lief dafür in der Schule super. Auch hatte ich richtig Spaß am Klavier spielen, was mir zuvor eher Schwierigkeiten bereitet hatte. Ich zeichnete mehr und wurde immer besser. Kurzum – der schwierige Start in die Pubertät gelang mir mit einem guten Gefühl.
Eines Tages, im Oktober, war ich auf der Geburtstagsfeier einer Freundin aus meiner neuen Klasse. Es war so eine typische Jugendlichen-Feier, mit Flaschendrehen, dem ersten Bier (welches eklig schmeckte) und allerlei anderem Quatsch. Außerdem war F. dabei – mein damaliger Schwarm, viel größer als die anderen Jungs, sarkastisch und ein typischer Cliquenleiter. Irgendwie kam an diesem Abend heraus, das ich für F. schwärmte. Und ich wusste nicht, welche Konsequenzen das nach sich ziehen sollte. Die Freundin, die Geburtstag hatte, wurde an diesem Abend eher ignoriert, als das man sie feierte. Es zeigte sich, dass die Anderen eher nur zum Spaß zu ihr gekommen waren, sie ausnutzten. Das erzählte ich ihr einige Tage später. Leider verstand sie nicht, dass ich sie nur warnen wollte, gar schützen. Denn sie fasste es als Beleidigung auf.
Dann starb meine Großmutter. In dieser ziemlich komplizierten Zeit des Erwachsenwerdens, der Selbstfindung und Verwirrung brach eine Stütze weg, auf die ich zuvor gebaut hatte. Und auf diesen Schock hin wurde ich krank. Zog mich zurück, bekam eine schwere Grippe. Zwei, vielleicht auch drei Wochen ging ich nicht zur Schule.
Als ich danach wieder kam, war alles anders.
Meine „Freunde“, die ich einige Wochen zuvor noch hatte, ignorierten mich. Wandten sich von mir ab. Redeten nicht mehr mit mir. Ich verstand die Welt nicht mehr. Eigentlich hätte ich jemanden zum reden gebraucht, denn es war schon schwer genug, mit dem Tod einer so nahestehenden Person klar zu kommen. Doch diese Abneigung, die scheinbar aus dem Nichts kam, war unerklärlich für mich. Das dies alles mit dieser seltsamen Geburtstagsfeier zusammen hing und inwieweit meine Schwärmerei, die Sorge um die Freundin und alles andere dafür gesorgt hatte, wusste ich nicht. Bis heute kann ich nur annähernd sagen, was genau geschehen war. Schließlich konnte ich danach mit niemanden mehr reden. Deswegen ist dies ein Punkt, der sehr von Nebel umschleiert ist. Der unfassbar, unbegreiflich ist. Es tut aber nichts zur Sache. Von einem aufs andere Mal, innerhalb von wenigen Wochen war ich von einem taffen, gut integrierten Mädchen zur Aussenseiterin der gesamten Jahrgangsstufe geworden. Ich dachte, dass sei das Schlimmste, was mir passieren konnte. Hätte ich in die Zukunft sehen können, wäre mir bewusst geworden, dass es noch schlimmeres als Ignoranz gab.

Herr Doktor, Herr Doktor!

Nachdem ich gestern Abend Günther Jauch – Das lange Warten auf den Arzttermin angesehen habe, geht mir das Thema nicht mehr aus dem Kopf. Schließlich bin ich auch chronischer Arztbesucher, habe leider schon oft die Erfahrung machen müssen, dass man nur mit Vitamin B einen Facharzttermin bekommt und sehe mich immer wieder mit langen Wartezeiten konfrontiert. Dies hat vorerst für mich ein Ende -schließlich sorgt man sich in der Psychiatrischen Institusambulanz medizinisch um mich- aber für viele psychisch Kranke ist dieses Thema noch immer ein Problem.
Wenn sich depressive Symptome verschlimmern, die Panikattacken häufiger kommen oder erstmals Stimmen auftauchen ist guter Rat teuer. Häufig verweisen Freunde, Bekannte und natürlich der Hausarzt an Spezialisten, in diesem Fall an Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie. Das es eine Ärzteflucht vom Land gibt, ist bekannt. Das die Ärzte im allgemeinen immer älter werden und viele Studenten der Medizin ihr Studium abbrechen, ebenso. Doch auch der Fachärztemangel macht sich mittlerweile in unseren Reihen breit. Vor allem im psychiatrischen Bereich ist dies fatal. Schließlich gehören Symptome wie Suizidalität oder Selbstverletzung zu vielen unterschiedlichen behandlungsbedürftigen Störungen. Und sie können dafür sorgen, dass der Termin, auf den man Monate wartet, niemals wahrgenommen wird…
Man darf schlichtweg nicht unterschätzen, dass auch psychiatrische Erkrankungen lebensgefährlich sein können. Ob Kardiologe, Orthopäde oder Neurologe – es leuchtet ein, dass ein zu langes Warten zu letalen Ausgängen von scheinbar harmlosen Symptomen führen kann. Bei psychischen Erkrankungen sieht es hingegen anders aus. Einige Fakten – Im Jahr 2010 starben 7.000 Menschen mit Depressionen wegen Selbsttötung. 15% der Magersüchtigen sterben. Ebenso sterben 10-15% der Schizophrenen durch Suizid.
Auch ich musste, als ich nach Dresden gegangen bin, zu vier verschiedenen Ärzten in der näheren und weiteren Umgebung. Alle nahmen keine neuen Patienten auf, bis ich einen Arzt fand, der seine Praxis erst neu eröffnet hatte und demnach noch freie Kapazitäten besaß. Hätte ich auf einen Termin beim Facharzt warten müssen, weiß ich nicht, was noch passiert wäre. Wahrscheinlich hätte ich mich noch mehr in die Psychose hineingesteigert und wäre noch weiter aus der Realität geflohen. Und ich bin in diesem Punkt kein Einzelfall. Auch das Warten auf einen Therapieplatz beim psychologischen Psychotherapeuten zieht sich über Monate hin, nicht selten sogar ein halbes bis ein ganzes Jahr. Damit habe ich leider auch Erfahrungen, bisher hatte ich aber immer das Glück als „komplizierter“ Fall gehandhabt zu werden, weswegen ich ja letztendlich in der PIA gelandet bin.
Quellen
1) Ärztemangel, ArztWiki
2) Tödliche Magersucht, ntv
3) Allianz Deutschland AG (Hrsg.): „Depression – Wie die Krankheit unsere Seele belastet“, München 2011
4) Gesundheitsgesetze, t-online
5) Kabinett beschließt GKV-VSG, BMG

„Bob, der Streuner“ von James Bowen

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Dieses Buch habe ich vor ein oder zwei Jahren zu Weihnachten von meiner Mutter geschenkt bekommen. Ich ließ es ziemlich achtlos liegen und las es nicht, weil ich dachte, dass es mir zu banal sei.  Schließlich las ich sonst nur Hermann Hesse, Georg Büchner oder ähnliche große Autoren. Aber als ich merkte, dass ich einfach nicht mehr in der Lage war mich mit so geistreichen Werken zu beschäftigen, nämlich in der Klinik, wo sich meine Konzentrationsschwäche breit machte, nahm ich es zum ersten Mal zur Hand. Nachdem ich das Buch meiner damaligen Zimmernachberin Hilde ausgeliehen hatte, las ich es selbst.
Bob, ein Kater mit rotem Pelz, trifft auf James, einen  drogenabhängigen Straßenmusiker. Und von Anfang an ist klar, dass es sich bei Bob um meine ganz besondere Katze handelt. James pflegt ihn gesund und versucht danach, der Katze wieder ihren Freiraum zu geben. Doch Bob bleibt als Freund, Leidensgenosse und Kumpan beim täglichen Kampf ums Überleben an James Seite.
Die Sprache des Romans ist recht einfach, weswegen es sich gut lesen lässt. Es bringt viele Eindrücke vom Leben auf der Straße, von Drogenabhängigkeit und einer ganz besonderen Freundschaft dem Leser näher.
Mein erster Eindruck hat sich demnach nicht bestätigt. Zwar ist es wirklich einfach zu lesen, aber das tut der Qualität des Romans keinen Abbruch. Es gibt noch einen zweiten Teil des Bestsellerromans, den ich, als Fan von Bob, definitiv auch lesen werde.

Über die Verfolgung psychisch Kranker – #BloGeHa

Dieser Beitrag ist ein Teil der Blogparade von Sarah Maria.
Nicht nur, weil ich in der Pegida-Stadt Dresden wohne, geht mir dieses Thema sehr nahe. Nicht nur, weil ich bekennend linkspolitisch bin, weil ich mich sehr für Politik und Geschichte interessiere, weil ich jeden Menschen liebe, dem Werte wie Akzeptanz, Offenheit und Freude am Leben liebe. Nicht nur, weil ich möchte, dass diese Welt, unsere Welt bunt bleibt. Sondern aus dem Wissen heraus, was mit mir geschehen wäre, wäre ich einige Jahrzehnte eher geboren.

Die Geschichte der Euthanasie (Fremdwort, gebildet aus altgriechisch εὖ „gut“, „schön“ und θἁνατος „Tod“) ist stark durch die Zeit des Nationalsozialismus geprägt, in der Morde unter dem Vorwand der „Rassenhygiene“ ebenfalls und täuschend als Euthanasie bezeichnet wurden.

Ich war in meinem bisherigen Leben schon drei Mal wegen psychischer Erkrankungen im Krankenhaus. Früher hätte man „Irrenanstalt“ dazu gesagt und sich Menschen vorgestellt, die lallend in einem sterilen Gang sitzen, sich hin- und herwiegen, mit sich selbst reden und den „Gesunden“ verstörende Blicke zuwerfen. Man kennt diese Klischees und bis heute sind die meisten Menschen wenig aufgeklärt, wie der Alltag und das Leben in einer Psychiatrie abläuft. Doch Kranke wegzusperren, sie in Irrenanstalten von den „Normalen“ abzugrenzen reichte nicht. Unter der Aktion „T4“ wurden im nationalsozialistischen Deutschland knapp 200.000 psychisch Kranke ermordet.
Lebensunwertes Leben. Schon allein dieser Begriff schleudert einem die volle Abartigkeit dieses Systems entgegen.
Was wäre mit mir passiert? Hätte man mich schon mit 14 Jahren, als ich zum ersten Mal in der Psychiatrie war, aus meiner Familie genommen, mich in einem Heim, einer Heilanstalt oder in einem Lager untergebracht? Wäre ich bereits als Kind ermordet wurden oder hätte ich bis zum Ausbruch meiner Psychose im jungen Erwachsenenalter gewartet? Schizophrene Menschen hatten es noch nie einfach. Weder vor den Gräueltaten der Nazis, noch währenddessen und auch heute noch gibt es viele Stigmatisierungen psychisch Kranker. Aber „T4“ zeigt, was geschehen kann, wenn man in Klassen denkt. Wenn man der Meinung ist, dass ein Leben weniger wert ist als das andere.
Ich bin selbst „seelisch behindert“, „psychisch krank“,“verrückt“. Anders. Einfach anders, wie meine Gleichaltrigen, Kommilitonen, Familienmitglieder. Aber auch alle anderen sind irgendwo anders. Ob es nun um Hautfarbe, sexuelle Orientierung, Behinderungen oder andere Erkrankungen geht. Ich habe viele Bekannte und Freunde, die anders sind. Meine Klassenkameradin, die eine dunkle Hautfarbe hat. Mein Freund, der schwul ist. Viele Bekanntschaften aus der Psychiatrie, die „Borderliner“ sind, Depressionen oder Angstzustände haben. Und ich, ich bin psychotisch. Wir alle unterscheiden uns von einander.
Man kann nur mutmaßen, was aus mir geworden wäre, wäre ich vor mehr als 75 Jahren geboren. Aber eines steht fest – das es nie wieder soweit kommen darf. Das es nie wieder etwas vergleichbares geben soll. Und wenn ich sehe, wie tausende Menschen gegen „Andere“ demonstrieren, weil sie Angst haben, dann bekomme auch ich Angst. Denn es ist nur ein kleiner Unterschied, wer „anders“ ist und wer nicht. Angefangen bei Religionen wird bald auch jeder Freidenker als anders angesehen. Und dabei sollte man jede Form der Andersartigkeit nicht nur anerkennen, sondern auch als etwas Besonderes, ja, als etwas Schönes und Wünschenswertes ansehen. Denn sie ist es erst, die uns ausmacht. Unsere Welt ist so unterschiedlich, wie sie nur sein könnte.Und statt uns gegenseitig zu hassen und zu bekämpfen sollten einige ihre Augen aufmachen und sie als das sehen was sie ist – unsere vielfältige, wunderschöne Erde, mit Individuen so einzigartig wie nur möglich.
#BloGeHa von Sarah Maria
Quellen
1) Geschichte der Euthanasie, Wikipedia
2) Euthanasie im Nationalsozialismus, Tagesschau

III – Woche 16 – Tagesklinik

Es endet die vorletzte Woche in der Tagesklinik für mich.
Am 2. März habe ich bereits meinen ersten Termin in der PIA. Es ist ein Psychologisches Einzelgespräch, also vorerst kein medizinisches. Und das, obwohl man noch was an den Tabletten ändern wollte. Das ist mir ehrlich gesagt sogar recht wichtig, da ich derzeit mit den vielen Tabletten (vier unterschiedliche Sorten!) ziemlich unzufrieden bin.
Zum ersten Mal bin ich heute mit der Tagesklinik wandern gewesen. Zuvor war das immer nicht möglich, da ich Donnerstags meistens das Einzlespräch beim Psychologen hatte, doch dieser ist heute und morgen im Urlaub. Wir fuhren mit der Bahn nach Pillnitz, wo wir mit der Fähre auf die andere Seite der Elbe übersetzten. Dort fütterten wir erst Schwäne, Gänse, Enten und ziemlich dreiste Möwen, bevor wir uns auf den Weg zum Pillnitzer Schloß mit dazugehörigem Park machten. Wir hatten freie Wahl, wer mit wem wohin geht. Ich habe mich den „Muttis“ (ausschließlich Frauen 50+, die Depressionen haben und mich wie eine Ziehtochter behandeln) angeschlossen. Unsere Gesprächsthemen waren in der Stunde, die wir Zeit hatten, sehr durchwachsen. Von Lieblingsbüchern, Geschichte, Schulzeit und natürlich der Krankheit war alles vertreten. Es tat gut, mit den Anderen zu reden und nicht alleine zu sein. Gemeinsam erkundeten wir den Park, die Schlossanlage und beobachteten im Park Eichhörnchen, die sich ans Werk machten einige Nüsse zu finden und sogleich zu verstecken. Weil ich meinen Schal vergessen hatte, habe ich von der „Mutti“ D. einen Schal geliehen bekommen. „Mutti“ H. schenkte mir die Blüte einer Kamelie, die in einem eigens angefertigten Gewächshaus untergebracht war. Von der Orangerie ging es weiter zu der Büste der Gräfin Cosel (vermuteten wir), hinüber zu Basaltsäulen und dort trafen wir wieder auf unsere anderen Mitpatienten und unsere Ergotherapeutin, die uns begleitete. Mir war furchtbar kalt, aber es war ein wirklich schöner Spaziergang. Danach mussten wir leider schon wieder in die Klinik zurück. Wir nahmen den Bus über das Blaue Wunder, entlang an den Weinhängen der Elbe, durch verschiedene urige Stadtgebiete, die ich zum ersten Mal sah.
Kamelie
In der Klinik angekommen ging es zum Mittagessen. Nachmittags fiel die Musiktherapie aus, weil der Therapeut krank geworden ist. Dafür haben wir mit einer Krankenschwester eine alternative Form von „Mensch, ärgere dich nicht“ gespielt. Das war ein schöner Ausklang des Tages.
Der Freitag begann nicht so gut. Zuerst habe ich um Stunden verschlafen und bin trotzdem noch mal in der Straßenbahn eingeschlafen. Müde ging ich in die Klinik. Dabei habe ich allerdings ganz gut geschlafen, sicher 6 Stunden. Aber ich fühle mich dennoch wie gerädert. Als ich in der Klinik ankam, entschuldigte ich mich bei der Krankenschwester. Es war nicht schlimm, das ich verschlafen hatte. Nur habe ich die Morgenrunde und das Spiel in der Gruppe verpasst.
Der restliche Tag wird recht anstrengend. Erst Fitness/Sport, dann Progressive Muskelentspannung, tanzen und Abschlußrunde der Woche.

II – Woche 16 – Tagesklinik

Nachdem ich gestern Abend wieder einen Nervenzusammenbruch hatte, hatte ich heute gleich zwei Einzelgespräche bei meinem Psychologen. Gestern Nacht hatte André sogar bei der Station 82 (der geschlossenen) angerufen um zu fragen was wir machen sollen, wenn es mir so schlecht geht. Die Antwort war: „Solange Sie sich nicht lebensgefährlich verletzen, sehe ich keinen Grund für eine Aufnahme.“ Das war ein ganz schöner Schock.
Dafür haben wir im Einzelgespräch geklärt, dass ich bei der nächsten Krise für maximal vier Tage aufgenommen werde, um eine erneute Hospitalisierung vorzubeugen. Außerdem wird meine Verlegung auf die PIA bald erfolgen, wenn ein Platz frei wird. Meinen ersten Termin inder PIA habe ich heute schon ausgemacht. Er wird am 2. März stattfinden, bei einer mir noch unbekannten Psychologin. Ich bin über diese Einigung mit meinem Psychologen sehr froh. Er hat mir zu erst alle Möglichkieiten, die es gibt, vorgeführt und dann haben wir gemeinsam das Für und Wider abgewägt. Und ich finde auch, dass es so am besten ist. Das bedeutet nun, dass ich nur noch bis Ende Februar in der Tagesklinik sein werde. Aber das ist sicherlich erstmal die beste Lösung, da ich merke wie mir die TK psychisch extrem zu schaffen macht. Mein Psychologe meinte auch, dass die TK die anstrengendste Form der Therapie sei. Die PIA hingegen ist viel lockerer organisiert, da man nicht einen kompletten „Arbeitstag“ an Therapien mitmachen muss, sondern nur einzelne Angebote besuchen kann.
Zur Beruhigung für Krisensituationen habe ich heute zum Glück Bedarfsmedikation mitbekommen. Das Medikament heißt Promethazin, damit habe ich bereits vor meiner Einweisung gute Erfahrungen gemacht. Es sediert vorrangig, macht also müde, wirkt aber auch gegen psychotische Symptome, da es ein Neuroleptika ist (Neuroleptika sind Medikamente gegen psychotisches Erleben). Vorerst habe ich geringe Dosen mitbekommen, sicher weil ich ja unter anderem wegen Suizidalität behandelt wurde und werde.
Eigentlich freue ich mich jetzt schon richtig auf die PIA, da mir der Kontakt zu den anderen TK-Patienten zu viel ist. Ich mag wirklich alle sehr gerne, aber dieser enge Kontakt sorgt dafür, dass ich deren Probleme wie ein Schwamm aufsauge und es mir dadurch noch schlechter geht. Außerdem ist mir die Struktur noch zu straff, und da es keinen Rückzugsort gibt läuft mein Kopf auf Dauerfeuer.
Ich bin dem Psychologen, den ich jetzt in der TK habe, sehr dankbar. Ich mochte zwar auch die beiden Psychologinnen von der Station 82 und 84, aber er scheint bisher die meisten Erfahrungen gesammelt zu haben. Außerdem hat er wirklich gute Sichtweisen und Hinweise bzw. Tipps für Probleme. Und ich muss keine Verhaltensanalysen mehr machen 😉

I – Woche 16 – Tagesklinik

Montags ist mit Abstand der schlimmste Tag der Woche. Denn es ist Visite, was bedeutet das ansonsten keine Therapien statt finden. Ich habe das große Glück die letzte zur Visite zu sein, womit ich den Tag bis zum 12 Uhr nur mit warten verbringen kann. Dennoch ist die Visite für mich wichtig – denn ich muss unbedingt meine Schlafstörungen abklären lassen. Bisher habe ich nur mit dem Psychologen darüber geredet und laut ihm soll ich tagsüber einfach mehr machen (als ob ich das nicht schon tun würde!). Weiterhin gibt es nichts wichtiges zu besprechen. Aber man hat ja angedeutet das die Medikamente umgestellt werden sollen, vielleicht könnte das mein Schlaf-Problem lösen. Einfach ein stärker sedierendes Medikament ansetzen. Aber so einfach wird es wohl nicht sein.
Die Visite ist durch und leider gibt es keine positiven Neuigkeiten. Den Arzt hat meine Schlafstörung nicht wirklich interessiert, ich soll meine Tabletten, das Olanzapin, einfach später einnehmen. Vielen Dank auch!
Morgen habe ich ein Einzelgespräch mit dem Psychologen. Ich weiß gar nicht, was aktuelle, wichtige Themen sein sollen. Mir fällt partout nichts ein. Denn verhaltenstherapeutisch lassen sich Schlafstörungen auch nicht zeitnah beheben.

PIA und ich

Beim letzten Gespräch kam heraus, dass ich wahrscheinlich in die Psychiatrische Institutsambulanz (kurz: PIA) soll. Das würde bedeuten, dass ich dort einen Psychiater und Psychologen habe, zu dem ich (wöchentlich?) gehen kann. Vor allem, dass ich mir keinen Psychologen suchen und Monate lange warten muss ist ein riesiger Vorteil. Die Psychiater dort stellen mir auch meine Rezepte für die Medikamente aus. Noch ein Schritt weiter in Richtung Selbstständigkeit.
Die PIA nimmt nicht jeden Patienten auf (sonst wäre sie bei der Dichte an Patienten zu voll), sondern vorrangig chronisch und schwer psychisch Kranke. Leider falle ich unter diese Kriterien…was aber andererseits ermöglicht, dass ich dort die Therapie in Anspruch nehmen kann.
Versorgungsschwerpunkte sind die Behandlung schwer und chronisch Kranker im Rahmen der Nachsorge, aber auch Notfallpsychiatrie. Ziel ist die Vermeidung oder Verkürzung stationärer Behandlung, aber auch die Sicherstellung einer Behandlung für Patienten, die von den Angeboten niedergelassener Ärzte nicht oder nicht ausreichend erreicht werden. Das Versorgungskonzept stellt praktisch eine integrierte Versorgungsform dar […]
– CC-BY-SA 3.0, Wikipedia
Das ist die Definition und die Ziele, die in der PIA erarbeitet werden sollen.