Hilfen für Angehörige

 
Auf Wunsch einer Leserin folgt heute ein Beitrag, wie man als Angehöriger (dabei ist es egal welche Rolle – Partner, Eltern,  Geschwister) mit einem Erkrankten umgehen sollte. Wieder einmal der Disclaimer, das ich kein Profi bin und alle Ratschläge aufgrund eigener Erfahrung folgen.
Anmerkung: ich spreche von dem Erkrankten. Natürlich spreche ich auch weibliche, trans- und intersexuelle Erkrankte an.

  • Informiere dich

Weißt du, was Schizophrenie ist? Kennst du die wichtigsten Symptome? Wenn nicht, dann lese im Internet oder Büchern, auch auf diesem Blog. Um den Erkrankten zu verstehen, muss man wissen, was in ihm vorgeht. Halluzinationen und Wahn sind nicht die einzigen Krankheitssymptome. Auch Ich-Störungen, kognitive Störungen und Negativ-Symptome gehören dazu. Je mehr du weißt, desto besser kannst du deinen Angehörigen verstehen.

 

  • Du hast keine Schuld

Eine schizophrene Psychose ist nicht deine Schuld. Das betrifft gerade Eltern von Erkrankten. „Erziehungsfehler“ sind kein Grund dafür, dass später eine Psychose auftritt. Viele Dinge führen dazu, dass die Neigung zu Psychosen erhöht ist. Die Genetik, Stress und Drogen können Schizophrenien hervorrufen. Menschen mit erhöhter Vulnarabilität bekommen schneller eine Psychose als Andere. Suche nicht bei dir nach Fehlern.

  • Sei eine seelische Unterstützung

Halt seine Hand. Rede mit ihm in ruhiger Umgebung. Hilf dem Betroffenen zu entspannen, etwas für sich selbst zu tun und  nicht aufzugeben. Sei für den Angehörigen da!

  • Kümmere dich um das Wohlbefinden

In der Psychose ist es sehr schwierig, seinen geregelten Tagesablauf beizubehalten. Wenn der Erkrankte zu Hause ist (nicht in der Klinik) dann hilf ihm. Gehe mit ihm einkaufen, motiviere ihn zu duschen, Zähne zu putzen und seinen Haushalt aufrecht zu halten. Es ist erstmal wichtig, dass er die Phase gut übersteht. Streite nicht, wenn er es nicht schafft selbst ordentlich zu sein. Sei einfach für ihn da.

  • Kein Streit um Wahninhalte

Es ist schwer nachzuvollziehen was im Kopf eines Schizophrenen vor sich geht. Diskutiere nicht über die Wahninhalte. Versuche nicht ihn mit Diskussionen zu überzeugen. Für den Erkrankten sind diese Gedanken real! Er kann nicht verstehen das es nicht wahr ist. Am besten meidest du Gespräche über diese Inhalte, da sie den Wahn noch verschlimmern können.

  • Rede ruhig, sei vertrauensvoll, spreche kurz und prägnant

Durch die Denkprobleme kann man in der Psychose oft schwierigen, verketteten Sätzen und langen Gesprächen nicht gut folgen. Deswegen solltest du als Angehöriger kurze, prägnante Sätze sprechen und eher langsam reden. Auch solltest du wichtige Dinge mehrmals wiederholen.

  • Such dir selbst Hilfe

Suche dir eine Angehörigengruppe – ob im Netz oder in deiner Stadt – und tausche dich aus. Du musst auch auf dich und deine eigene psychische Gesundheit achten!

  • J. Berg-Peer: “ Überlegen Sie, welche Ihrer Verhaltensweisen weder für Sie selbst noch für den Erkrankten gut sind. „

„Ich war z.B. zu ängstlich, hatte zu viel Angst vor verbaler Aggression. Andere können Unordnung nicht ertragen. Andere wollen die Erkrankten kontrollieren. Das alles ist auch für gesunde Kinder nicht gut. Wir können uns ändern und auch unsere Einstellung zur Krankheit ändern: Schizophrenie ist keine Katastrophe und eine Psychose muss kein Drama sein.“

…wird noch erweitert

Dinge, die man Schizophrenen nicht sagen sollte

pixabay
Über Facebook habe ich schon mehrere Artikel gelesen, wie „Dinge, die man Depressiven/Magersüchtigen/Zwangskranken,… nicht sagen sollte“. Nun hier das Pendant für Menschen mit Schizophrenie.
„Ich hab auch manchmal das Gefühl, das jemand schlecht über mich redet.“

Ich denke jeder hat schon mal das Gefühl gehabt, alle schauen dich an, reden über dich. Das steht aber in keiner Relation mit der Paranoia bei Psychosen. Das man das Gefühl hat, können gesunde Menschen mit Argumenten entkräften oder im besten Fall einfach darüber stehen. Bei Schizophrenen ist dieses Gefühl so real, so bedrohlich, das der Erkrankte schwer darunter leidet. Auch kann man ihm nicht ausreden, was Tatsache ist: nämlich Einbildung.

„Hör auf zu spinnen.“

Wäre es so einfach…alle Gefühle, Gedanken und Erlebnisse sind für den Psychotiker real. Mit Argumenten und Gründen kommt man nicht weit, denn der Erkrankte weiß es besser: Eine Verschwörung, jemand verfolgt ihn, alles dreht sich um ihn! Unsensible Sprüche und Unverständnisse sind absolut unangebracht, denn es handelt sich um eine erkrankte Person, die nicht anders denken kann.

„Reiß dich zusammen!“

Dies spricht die Negativ-Symptome der Schizophrenie an. Unter Negativ-Symptomen versteht man Defizite im Denken, des Gemüts und des Antriebs. Das ähnelt den Symptomen einer Depression. Deswegen kann sich der Schizophrene lustlos, bedrückt und niedergeschlagen verhalten, und es ist schwierig, den Alltag zu bewerkstelligen. Sich „zusammen nehmen“ oder „den Hintern hochkriegen“ ist wie bei einer Depression also nicht so einfach.

„Hast du schon mal probiert …“

Dieser Punkt ähnelt den Dingen, die man Depressiven nicht sagen sollte. Es ist nicht einfach, eine Psychose zu behandeln und das sollte auch nur unter ärztlicher Aufsicht geschehen. Spazieren gehen, Joggen, Lesen, Entspannung etc können sicher die (Negativ-) Symptome lindern, aber keine ausgewachsene Schizophrenie behandeln. Auch wenn es Angehörige, Freunde und Bekannte gut meinen: die meisten Dinge hat man als Betroffener bereits ausprobiert, weswegen die gut gemeinten Ratschläge oft negativ aufgefasst werden.

„Steigere dich nicht da rein.“

Wenn man einmal im Wahn steckt, ist es schwer wieder heraus zu kommen. Alles wird in das Wahnsystem transformiert, Ereignisse umgedeutet und die Gedanken drehen sich nur um die Psychose. Der Betroffene füttert die Erkrankung mit Ideen, Ängsten und Misstrauen. Es ist verdammt schwer, sich diesem Strudel zu entziehen. Deswegen sind solche Sprüche Öl im Feuer der Psychose.

„Das ist alles nur in deinem Kopf“

Fällt unter die Kategorie: nicht hilfreich. Ein gesunder Mensch weiß das die Wahnvorstellungen und Halluzinationen nur im Kopf des Erkrankten stattfinden. Aber das ist einem Schizophrenen in der Psychose nicht bewusst. Außerdem ist dieser Spruch invalidierend und hilft dem Erkrankten nicht weiter!

„Da bist du doch selbst dran Schuld!“

Ist man selbst Schuld an Multipler Sklerose? Krebs? Morbus Crohn?
Wer würde einem somatisch erkrankten Menschen sagen, er sei selbst Schuld an seiner Erkrankung? Richtig – niemand. Natürlich können manche Faktoren eine Erkrankung begünstigen (Lungenkrebs = rauchen, Übergewicht bei Diabetes etc) aber dennoch kommen immer viele Faktoren zusammen, damit eine Krankheit ausbricht. Drogen können Psychosen auslösen – aber ganz ohne Vulnarabilität und genetischer Disposition bekommt niemand eine Schizophrenie!

„Ich habe Angst vor dir/deiner Diagnose“

Es gibt Studien die beweisen, dass psychisch Kranke (inkl. Schizophrenen) nicht gewalttätiger sind als gesunde Menschen. Ja, akut Kranke können besorgniserregend wirken, können aggressiv und launisch sein. Dennoch sind sie in den seltensten Fälle tatsächlich „gefährlich“! Redet mit dem Erkrankten, nehmt ihm seine Angst. Mit weniger Angst wird auch die Stimmung und das Misstrauen besser.

„Mit dir will keiner was zu tun haben!“

Betroffene kennen es…man wird aufgrund seiner Erkrankung gemieden, es wird gelästert und Gerüchte werden verbreitet. Aber: es gibt immer jemanden, der für dich da ist und dich trotz Erkrankung schätzt! Hilfreich können auch Selbsthilfegruppen sein (ob virtuell auf Facebook oder real als Stammtisch in deiner Stadt). Wichtig ist, auf Menschen zu vertrauen die dich so lieben wie du bist!

„Sei doch mal normal…“

Dazu sag ich nur: wer will schon normal sein?

[HILFE] Stimmen hören

 
Wer Stimmen hört, nimmt etwas wahr, was nur er selbst hört. Dabei ist dieses Phänomen gar nicht so selten, wie man vielleicht denkt: 6-10 % der Menschen hören irgendwann in ihrem Leben einmal Stimmen. Die meisten nur einmal oder sehr selten. Manche Betroffene werden jedoch jeden Tag von den Stimmen begleitet.
Hier möchte ich Möglichkeiten sammeln, wie man lernen kann mit den Stimmen umzugehen. Mal wieder sind das meine Erfahrungen und wirken nicht bei jedem gleich gut. Aber vielleicht kann der ein oder andere davon profitieren.

  • Stimmenhörer sind nicht automatisch krank. Zwar werden fast 80% der Stimmenhörenden mit der Diagnose Schizophrenie konfrontiert, aber reines Stimmen hören allein ist kein Zeichen einer paranoiden Psychose!
  • Ignorieren hilft oft nicht. Die Stimmen „weg zu ignorieren“ hilft in den seltensten Fällen. Oft sind die Stimmen beleidigt und werden noch lauter und aufdringlicher, als wenn man ihnen einen Raum gibt.
  • Schaffe dir eine Zeit, in der du dich deinen Stimmen widmest. Versuche einmal am Tag deinen Stimmen Zeit zu geben mit dir zu reden. Das kann früh beim Morgenkaffee sein oder kurz vorm Schlafen gehen. Die Stimmen werden versuchen auch außerhalb der Zeiten zu dir zu reden. Sage ihnen bestimmt, dass sie sich an eure „Sprechzeiten“ halten sollen. In diesem Fall gibt: Übung macht den Stimmen-Meister!
  • Höre Musik, mach Musik, lenk dich ab! Wenn ich mich beschäftige mit Musik oder mich anderweitig ablenke, sind die Stimmen oft ruhiger oder lassen mich ganz in Ruhe. Allerdings aufpassen: das kann die Stimmen auch reizen und sie werden lauter. Hier gilt es auszuprobieren.
  • Kein Alkohol und keine Drogen!! Ich kann es nicht oft genug sagen: Alkohol und Drogen sind für Menschen mit Halluzinationen und/oder Psychosen fatal!
  • Schafft euch einen Diplomaten.
    Ich zitiere untertauchen:

    Der Diplomat vermittelt zwischen den Stimmen und mir. Nur er spricht mit mir, die Stimmen müssen sich also an ihn wenden. Er teilt mir mit, was die Stimmen sagen und hilft mir dabei, eine Antwort zu formulieren. Ich muss dann nicht selbst mit den Stimmen reden, sondern er übernimmt die Rolle des Diplomaten. Ich finde diese Lösung echt gut, weil sie mir die Möglichkeit gibt, eine Antwort zu überlegen ,ohne dass mich die Stimmen überfordern. Ich muss mich auch nicht direkt mit den Stimmen unterhalten und fühle mich dadurch besser geschützt.

  • Nimm anti-psychotische Medikamente. Gehe zu einem Psychiater und lass dir Neuroleptika (Anti-Psychotika) verschreiben. Kläre auch ab, ob ein Notfallmedikament helfen kann, wenn die Stimmen zu laut werden.
  • Beziehe Vertrauensperson ein. Deinen Arzt, Therapeut, die beste Freundin einbeziehen: erkläre ihnen, was du hörst und frage nach, ob das stimmt was die Stimmen dir erzählen. Lass dich beruhigen, höre aufmunternden Worten zu und frage nach Hilfe, wenn du sie brauchst.

Stand: April 2018
Weitere Informationen von meiner Blog-Kollegin untertauchenUmgang mit dem Lärm im Kopf

[Info] Schizophrenie – Vorurteile und Wahrheit

Über die Krankheit Schizophrenie gibt es viele Vorurteile. Die meisten Menschen stellen sich etwas komplett anderes vor, als das, was die Medizin ziemlich genau definiert. Deswegen habe ich ein paar Fakten für euch zusammengetragen, die Einblick in die „verrückte“ Welt der Schizophrenie bieten. Wer Ergänzungen hat, möge bitte einen Kommentar hinterlassen. Unter Namens/Spitznamen Nennung werde ich dies natürlich mit hinzufügen.
Schizophrene haben mehrere Persönlichkeiten
FALSCH! Schizophrenie bedeutet zwar so viel wie „gespaltener Geist“, hat aber nichts mit mehreren Persönlichkeiten zu tun. Es gibt jedoch eine psychische Erkrankung, in der Menschen verschiedene Anteile haben. Diese Krankheit heißt Dissoziative Identitätsstörung, veraltet Multiple Persönlichkeitsstörung. Mit Schizophrenie hat das nichts zu tun!
Schizophrenie ist sehr selten
FALSCH! Circa 1% der Bevölkerung leiden mindestens einmal in ihrem Leben an einer schizophrenen Psychose. Damit ist die Krankheit relativ weit verbreitet.  1 von 10.000 Personen erkranken jedes Jahr neu. Man merkt sehr subjektiv, das es keine seltene Erkrankung ist, wenn man in die Psychiatrien schaut. Dort trifft man viele Menschen mit einer Psychose.
Alle Schizophrenen hören Stimmen
FALSCH! Zwar kommen Halluzinationen, wie das Stimmen hören, bei schizophrenen vor, aber es trifft nicht bei jedem zu. Auch ist man nicht automatisch schizophren, wenn man Stimmen hört. Die Stimmenhörer-Bewegung ist sogar der Meinung, dass Stimmen hören kein Symptom einer Erkrankung ist, sondern eine zusätzliche Wahrnehmung. In anderen Ländern, zum Beispiel in einigen Bereich in Afrika, wird Stimmen hören sogar als Segen angesehen, während in westlichen Ländern die Stimmen meist negativ sind. (Zum Thema Stimmen hören mache ich noch einen extra Artikel.)
Schizophrene sind nicht geistig behindert 
RICHTIG!  Eine geistige Behinderung ist ein andauernder Zustand von unterdurchschnittlicher Kognition und anderen Einschränkungen. In akuten Psychosen können Schizophrene zwar beeinträchtigt erscheinen, aber ihre kognitive Einschränkungen sind nur kurzweilig, nämlich während der Psychose.
ABER: schizophrene Patienten können seelisch behindert sein (und damit zB einen Schwerbehindertenausweis beantragen.)
Schizophrenie ist immer chronisch
FALSCH! Es gibt eine Drittel-Teilung: 1 Drittel der Schizophrenen leiden nur einmal an einer Psychose, die danach nie wieder vorkommt. 1 Drittel hat immer wiederkehrende (rezidivierende) Psychosen, aber die Psychose klingt während der Pausen wieder ab. Und das letzte Drittel ist tatsächlich chronisch krank. Also: 66% der Schizophrenen sind NICHT chronisch erkrankt.
Menschen mit Schizophrenie sind gewalttätig und gefährlich [1]
FALSCH! Während einer Psychose kann man eigenartig und befremdlich wirken, aber in der Regel sind Patienten mit Schizophrenie nicht gefährlich oder gewalttätig. Allerdings können sie unter Drogeneinfluss aggressiv werden – das gilt aber auch für alle, die ohne Erkrankung Drogen nehmen.
zum weiterlesen: http://www.navigator-medizin.de/schizophrenie/

[HILFE] Das kleine Psychose-Handbuch

Hier werde ich nach und nach Informationen für Psychose-Erkrankte sammeln. Das werden hauptsächlich meine eigenen Erfahrungen sein und deswegen funktionieren sie auch nicht für jeden! Diese Hinweise sind aber denke ich für viele eine kleine Unterstützung.

  • Keine Horror, Thriller oder Krimi-Filme anschauen. Ich mag solche Filme auch sehr gerne, aber nicht während ich psychotisch bin. Dann können Elemente des Filmes (Feinde, Gegner, paranormales) schnell mit in den eigenen Wahn übergehen oder man steigert sich rein.
  • Bei Stimmen hören und akustischen Halluzinationen: die Ohren ablenken. Selbst Musik machen (Gitarre, Trommeln, es reicht auch eine Mundharmonika…) oder laut Musik hören. Überdeckt manchmal die Stimmen, aber sie können auch lauter dadurch werden – hier heißt es ausprobieren
  • Rückfragen an Angehörige. Ihr bemerkt etwas, denkt etwas, riecht, seht oder schmeckt etwas seltsames? Lasst eure Angehörigen wissen, was los ist, und fragt nach. Kann helfen die Halluzinationen einzuordnen und Wahngedanken abbauen bzw. gar nicht erst entstehen lassen.
  • Vermeide Stress. Am besten Termine reduzieren, Stress vermeiden (Auto fahren, Prüfungen, Familienfeiern….). Dafür schöne und entspannte Dinge tun. Wenn nötig, AU-Schein vom Facharzt holen, Medikamente erhöhen und abwarten, bis es euch wieder besser geht.
  • Lass dir von Angehörigen helfen – Wohnung sauber machen, Einkäufe erledigen, Termine erledigen etc
  • Suche dir Vertrauenspersonen. Das kann dein Therapeut, Arzt sein oder Professionelle in Kontakt- und Beratungsstellen. Oder Angehörige, Freunde, Bekannte, Arbeitskollegen.
  • Sorge dich um dein Wohlbefinden. Esse und trinke regelmäßig, kümmere dich um deine Hygiene, nimm deine Medikamente und gehe regelmäßig zu deinem Arzt/Therapeuten.
  • Passe ggf. die Dosis deiner Medikamente an – aber nur mit ärztlicher Absprache!
  • Beruhige dich mithilfe von Entspannungstechniken und Yoga.
  • Versuche aktiv zu bleiben, dich aber nicht zu stressen. Spazierengehen an der frischen Luft ist schon vollkommen ausreichend!
  • Belohne dich für geschaffte Aufgaben. Das motiviert dich und hellt deine Stimmung auf.
  • Bleib in deiner gewohnten Umgebung.
  • Frage, ob ein kurzzeitiger Aufenthalt in der Klinik möglich ist („Krisenintervention“) bis die Psychose abgeklungen ist.
  • Achte auf deine Frühwarnsymptome und spreche mit deinem Arzt ab, wie zu handeln ist.
  • Achte auf ausreichenden Schlaf. Spreche mit deinem Arzt ab, ob dir schlaffördernde Medikamente helfen können. In der Apotheke und Drogerie gibt es auch Baldrian Tabletten, die den Schlaf unterstützen können. (Sie sind im Vergleich zu verschreibungspflichtigen Tabletten aber vergleichsweise schwach)
  • Lass dich nicht „triggern“! Vermeide Streits, Diskussionen und ähnliches. Dein Ziel ist es, nicht zu sehr in den Wahn abzudriften. Auch bestimmte Menschen können triggern, zum Beispiel Nachbarn, Polizisten, Ärzte…versuche das zu vermeiden, damit du nicht kränker wirst.
  • Gib deiner Psychose eine Form und werde kreativ. Viele Psychose-Erkrankte zeichnen, malen oder schreiben, um mit ihren Gefühlen zurecht zu kommen.
  • Tu was dir gut tut! Hierbei ist alles erlaubt, was dir hilft „auf dem Boden“ zu bleiben.
  • Versuche nicht zu grübeln, so steigert man sich leicht in den Wahn rein.
  • Schaffe eine reizarme Umgebung wenn du unter Empfindlichkeit leidest.
  • Konsumieren keinen Alkohol und keine Drogen (besonders Cannabis, Halluzinogene usw).
  • Lenke dich ab. Schau einen entspannten Film, versuche zu lesen, zu malen, etwas handwerkliches etc.
  • Versuche, nicht die ganze Zeit allein zu sein. Frag Angehörige und Freunde, ob sie dir helfen.
  • Bringe dich nicht in gefährliche Situationen und fahre kein Auto.
  • Erstelle dir einen „Safe Place“. Das kann dein Sofa/Bett sein. Ein Rückzugsort, wenn du Angst hast und dich Hallus quälen. Gestalte es so, wie es dir gefällt, mit Kissen, Decken und wenn du magst Kuscheltieren (das mache ich zB sehr gerne)

Fahrtauglichkeit bei Schizophrenie

Dieses Jahr möchte ich das Projekt Führerschein in Angriff nehmen. In meiner prä-psychotischen Jugend (erste schwere Episode kurz nach dem 18. Geburtstag) habe ich mir das Fahren nicht getraut, aber es wäre rückblickend besser gewesen, ich hätte es damals gemacht. Einfach, weil noch keine Diagnose und Behinderung festgelegt war.
Es ist ein wenig umständlich Informationen zu finden. Hier aber der Teil über die Zulassung der Kraftfahreignung bei Schizophrenen Psychosen:

Schizophrene Psychosen
Die Voraussetzung zum sicheren Führen von Kraftfahrzeugen beider Gruppen ist in akuten Stadien schizophrener Episoden nicht gegeben.
Gruppe 1 – Führer von Fahrzeugen der Klassen A, A1, A2, B, BE, AM, L, T
Nach abgelaufener akuter Psychose kann die Voraussetzung zum sicheren Führen  von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 in der Regel wieder gegeben sein, wenn keine Störungen (z. B. Wahn, Halluzination, schwere kognitive Störung) mehr nachweisbar sind, die das Realitätsurteil erheblich beeinträchtigen. Bei der Behandlung mit Psychopharmaka sind einerseits deren stabilisierende Wirkung, andererseits die mögliche Beeinträchtigung psychischer Funktionen zu beachten. Langzeitbehandlung schließt die positive Beurteilung nicht aus (siehe Kapitel 3.12 Betäubungsmittel und Arzneimittel); in
manchen Fällen ist die Langzeitbehandlung hierfür die Voraussetzung, wobei diese Behandlung durch Bescheinigungen des behandelnden Facharztes für Psychiatrie dokumentiert werden sollte. Wenn mehrere psychotische Episoden aufgetreten sind (sog. wellenförmiger Verlauf), sind im Hinblick auf mögliche Wiedererkrankungen die Untersuchungen durch einen
Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie in festzulegenden Abständen zu wiederholen.
Gruppe 2 – Führer von Fahrzeugen der Klassen C, C1, CE, C1E, D, D1, DE, D1E und

die Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung (FzF)
Nach einer schizophrenen Erkrankung bleiben für Fahrer der Gruppe 2 die Voraussetzungen zum sicheren Führen eines Kraftfahrzeuges in der Regel – abgesehen von besonders günstigen Umständen- ausgeschlossen.
Begründung
Unter Schizophrenien fasst man eine Gruppe von Psychosen mit unterschiedlichem Schweregrad, verschiedenartigen Syndromen und uneinheitlichen Verläufen zusammen. Gemeinsam ist den Schizophrenien, dass alle psychischen Funktionen beein-
trächtigt sein können (nicht nur das Denken), dass die Ich-
Funktion (die psychische Einheit) in besonderer Weise gestört (Desintegration) und die Realitätsbeziehungen beeinträchtigt sein können. Im Verlauf treten akute Erkrankungen auf, auch wiederholt. Diese psychotischen Episoden können entweder ausheilen oder in Teilremissionen (sog. soziale Remissionen) bzw. in Residualzustände (Persönlichkeitsveränderungen) übergehen.
Schwere psychotische Krankheitserscheinungen können das Realitätsurteil eines Menschen in so erheblichem Ausmaß beeinträchtigen, dass selbst die Einschätzung
normaler Verkehrssituationen gestört wird. Schwere psychotische
Körpermissempfindungen können die Aufmerksamkeit absorbieren und die Leistungsfähigkeit senken. Antriebs- und Konzentrationsstörungen können den situationsgerechten Einsatz der psycho-physischen Leistungsfähigkeit mindern. Derartige psychotische Krankheitserscheinungen können also zu Fehlleistungen führen und die allgemeine Leistungsfähigkeit unter das notwendige Maß herabsetzen. In jedem Einzelfall muss –
auch abhängig vom Krankheitsstadium- die Bedeutung aller einzelnen Symptome für die Voraussetzungen zum Führen von Kraftfahrzeugen beurteilt werden.
Stand: 18.1.17 , zuletzt aktualisiert: Dezember 2016
weitere Informationen, auch über andere Erkrankungen
Um die Informationen zusammen zu fassen:
– keine Fahrtauglichkeit bei akuten Psychosen
– keine Eignung für das Führen von Fahrzeugen in Gruppe 2 (umfasst zum Beispiel LKWs)
– bei Gruppe 1: nach abklingen psychotischer Symptome mit medikamentöser Behandlung Fahrtauglichkeit gegeben, aber unter Umständen Einschätzung von psychiatrischem Facharzt
Wie es nun bei mir wird kläre ich noch mit meiner Ärztin ab.
Die Angabe in dem Führerscheinantrag ist im übrigen freiwillig – bei Unfällen kann er aber entzogen werden, wenn die Krankheit Ursache war. Deswegen gebe ich die Krankheit auch lieber an und werde dann sehen, ob ich zugelassen werde oder nicht.

[INFO] Halluzinationen und Pseudohalluzinationen

Jeder psychisch erkrankte Mensch, der seltsame Wahrnehmungen, Stimmen hören oder ähnliches erlebt hat, kennt die Frage: sind Sie sich sicher?
Es gibt zwei unterschiedliche Arten von Halluzinationen:
die „echten“ Halluzinationen bei organischen Psychosen und Schizophrenie
und die „Pseudo“ Halluzinationen bei Borderline, MPS und dissoziativen Störungen.
Vorweg sei gesagt: nur weil man Pseudohalluzinationen hat, sind die nicht weniger furcht einflößend und beängstigend.
Halluzinationen: sind Erlebnisse, die nicht real existieren. Betroffene hören Stimmen, die nur für sie hörbar sind. Sehen Dinge, die nicht da sind. Riechen und schmecken etwas, was nicht begründbar ist. Der Betroffene ist aber felsenfest davon überzeugt und nicht durch Argumente zu beeinflussen,
Pseudohalluzinationen: können dieselben Empfindungen aufweisen. Durch zureden, Argumente und Realitätsprüfung wissen die Betroffenen aber, das das rational gesehen unmöglich ist. Sie sehen oder hören etwas, wissen aber, das das nicht da sein sollte oder das es nicht echt ist.
Halluzinationen treten meist bei schweren Psychosen auf, zum Beispiel bei bipolaren Störungen und Schizophrenie.
Pseudeohalluzinationen können Teil einer dissoziativen Störung sein, im Rahmen einer Borderline Persönlichkeit auftreten, aber auch bei „gesunden“ Menschen. Wer hat nicht schon mal seinen Namen rufen hören, wenn er allein zu Hause war?
Wie gesagt, nur weil „Pseudo“ Halluzinationen angezweifelt werden, was bei richtigen Halluzinationen nicht der Fall ist, sind sie nicht weniger belastend. Zumal die Inhalte der Halluzinationen in den meisten Fällen negative Inhalte besitzt (böse Stimmen, man sieht Blut, hat Angst usw).
Bei einem Aufnahmegespräch in einer psychiatrischen Klinik oder in einem anderen Diagnosegespräch wird häufig gefragt: Glauben Sie tatsächlich das die Stimmen (oder andere Halluzinationen) echt sind? Können Sie erklären, woher sie kommen?
Der Halluzinierende wird in seinem Wahn ein Konstrukt zur Erklärung aufgebaut haben, mit dem er seine Halluzinationen erklären kann. Zum Beispiel ist das die Stimme des Erzengel Micheals, der ihm Aufträge gibt, die er auf der Erde erfüllen muss, etc etc etc.
Bei Pseudohalluzinationen sagen die Betroffenen oft: ich nehme etwas war, aber eigentlich kann das nicht sein.

[INFO] Selbstschutz für Psychoseerkrankte

Beim Stöbern im Internet bin ich über einen Artikel namens Selbstschutzmaßnahmen für Betroffene gestoßen. Meiner Meinung nach ein Punkt, der bei vielen Betroffenen, die ich in der Klinik kennen gelernt habe, zu kurz kommt.
Gewohnte Umgebung
Wenn man psychotisch wird, ist es besser, dass man in seiner vertrauten Umgebung bleibt, bestenfalls mit Menschen (Verwandte, Freunde), die nicht zu viel von einem verlangen.
Eigene Maßstäbe
Man sollte auf seinen eigenen Körper hören. Wenn man nach seinen eigenen Maßstäben agiert, bleibt man meiner Meinung nach eher gesund. Neigt man zu Depressionen, sollte man sich beispielsweise für jede Tätigkeit loben.
Neutrale Person
Eine neutrale (therapeutische) Person, auf die man sich stützen und vertrauen kann, ist wichtig und hilft einem, den Bezug zur Realität nicht ganz zu verlieren.
Zeit für die Medikamentenabsprache
Man sollte immer in Absprache mit seinem Arzt bleiben, wenn man Medikamente nimmt. Es dauert oft lange und man benötigt mehrere Anläufe, bis das richtige Mittel gefunden wird. Alle Nebenwirkungen, Sorgen und Probleme sollten mit dem Psychiater abgesprochen werden, da sonst oft das Vertrauensverhältnis darunter leidet.
Antworten im Dialog suchen
Psychoedukation ist ein Mittel zur Wahl, um Betroffene über ihre Krankheit aufzuklären. Im Dialog- oder Trialoggruppen hingegen wird man jedoch eher richtige oder hilfreiche Antworten auf seine Fragen entdecken. Ich gehe beispielsweise zur Trialoggruppe „Stimmen hören“ der GESOP Dresden. Ich war zwar erst einmal dabei, jedoch hat mir das sehr viel weiter geholfen.
Persönliche Frühsignale beachten
Es ist wichtig, auf seine persönlichen Frühsignale zu achten, allerdings sollte man es dabei nicht übertreiben und ständig auf Alarmbereitschaft sein. Denn das kann das eigene Leben ziemlich aus dem Gleichgewicht bringen.
Grundbedürfnisse beachten
Achte auf deine Grundbedürfnisse: auf gesundes Essen und Trinken, auf regelmäßigen Schlaf, auf frische Luft. Versuche einen Aktivitätsgrad zu finden, der für dich richtig ist, nicht zu viel und nicht zu wenig. Abwechslung, aber nicht Verwirrung; Beständigkeit, aber nicht Monotonie. Was für jeden ungesund ist (z.B. Schichtarbeit), ist für Betroffene besonders belastend.
Zuverlässige Kontakte halten
Bei Kontakten und Beziehungen sollte man auf seine ganz persönlichen Maßstäbe und Bedürfnisse achten: Wenige gute Freunde sind besser als viele schlechte. Manchmal kann auch Rückzug schützen; aber ein wenig Austausch braucht wohl jeder. Auch entferntere, aber zuverlässige Kontakte können einen halten.
Seien Sie sich selbst ein Freund
Du bist ein Mensch mit Bedürfnissen wie jeder andere. Dein Leben wird Krisen bringen, die nicht zu vermeiden sind. Machen Sie sich zum Maßstab, nicht die Psychose.
Quellen
1) „Es ist normal, verschieden zu sein!“ (Blaue Broschüre). Verständnis und Behandlung von Psychosen erstellt im Dialog von Psychose-Erfahrenen, Angehörigen und Therapeuten/Wissenschaftlern in der AG der Psychoseseminare (Hrsg.). Download der gesamten Broschüre unter externer Linkwww.irremenschlich.de > Download > Mediathek > Druck.
2) http://www.betanet.de/betanet/soziales_recht/Psychosen—Selbstschutz-fuer-Betroffene-1331.html