Na, hab ich dich mit dieser Überschrift angesprochen? Heute möchte ich klarstellen, warum es Quatsch ist, psychische Erkrankungen gegen einander zu vergleichen, beziehungsweise zu sagen, was „besser“ und was „schlimmer“ ist.
Ich habe einen Post wie diesen auf TikTok gesehen – bloß das dieser von einem „Horror-Blog“ kam. Dort wurde eine Rangliste aufgestellt, wie schlimm spezifische psychische Erkrankungen sind. Ich sag dazu: Bullshit.
Warum? Natürlich kann man sagen, einige psychische Erkrankungen lassen sich schneller oder effizienter behandeln. Es gibt mittlerweile viele wirkungsstarke Medikamente gegen bestimmte Leiden. Auch kann in vielen Fällen eine Therapie helfen – von der kognitiven Verhaltenstherapie über tiefenpsychologische Verfahren. Auch psychiatrische (und damit meine ich nicht ausschließlich medikamentöse) Behandlung kann oft helfen und die Lebensqualität der Patienten wiederherstellen.
Was ist schlimmer? Eine Panikstörung oder eine Phobie? Ist eine bipolare Störung weniger schlimm als eine schizophrene Psychose? Ich denke nicht, dass man das miteinander vergleichen kann. Es gibt Patienten, deren Leben so stark wegen einer Angststörung eingeschränkt ist. Dennoch haben Angst- und Panikerkrankungen Posts meist eine weniger „schlimmes“ Ranking.
Oder Persönlichkeitsstörungen: diese Erkrankungen bezeichnen eine tief in der Psyche verankerte Störung. Ich kenne einige Mitpatienten und Mitstreiter, die beispielsweise schwer unter einer Borderline-Persönlichkeitsstörung leiden. Aber ist es nun so, dass eine Persönlichkeitsstörung schlimmer ist als eine „einfache“ endogene Depression? Oder sollte man sagen, eine leichte depressive Störung ist für den Patienten weniger anstrengend und schwer zu ertragen als eine diagnostizierte schwere Episode?
Ich denke nicht. Wer nimmt sich das Recht heraus, zu beurteilen, wie sehr ein Mensch leidet? Zu diesem Thema habe ich gerade die Suchmaschine meiner Wahl bedient: meistens sind diese Einträge von irgendwem geschrieben, also weder von einem Psychotherapeut, Psychiater oder auch Betroffenen, sondern von irgendeinem Blogger.
Natürlich gibt es Erkrankungen, die sich relativ gut behandeln lassen – das habe ich oben schon angemerkt. Da reicht eine ambulante Therapie mit einer geringen Laufzeit, damit diese Patienten wieder ein erfülltes Leben ohne Einschränkungen führen können. Andere Patienten (und da schließe ich mich mit ein) sind chronisch erkrankt und bedürfen medikamentöser Behandlung und Psychotherapie im Rahmen einer PIA (Psychiatrische Institutsambulanz) die kein „Ablaufdatum“ hat. Für Menschen mit spezifischen Störungen bedarf es mehrere Monate bis Jahre, bis sie mit ihrer Erkrankung umgehen lernen. Dafür gibt es Unterstützung, auch wenn der Weg bis dahin sehr holprig ist.
Allerdings gibt es tatsächlich Störungen, die als sehr schwer betrachtet werden oder eine hohe Todes- oder Suizidrate haben.
Nehmen wir als Beispiel die Erkrankung, die die meisten Todesfälle verursacht. Das ist die Anorexia Nervosa (zu deutsch: Magersucht). Patienten mit dieser Erkrankung können durch das starke Untergewicht und die damit verbundenen körperlichen Leiden sterben. Dabei liegt die Quote bei 10 bis 15 %! Das ist natürlich alles andere als marginal.
Auch bei Suchterkrankungen – sei es Alkohol oder „harte“ Drogen wie Crystal Meth – gibt es eine recht hohe Sterblichkeit durch beispielsweise Überdosierung und körperliche Folgen, die aus dem Konsum folgen.
Man kann also sagen, dass es durchaus Erkrankungen gibt, die mit erhöhter Sterblichkeit zusammenhängen oder langjähriger Therapie mit starker Einnahme von Medikamenten verbunden ist. Aber das individuelle, persönliche Erleben ist dennoch sehr subjektiv.
Was haltet ihr von solchen „Ranglisten“? Denkt ihr, man kann psychische Erkrankungen miteinander vergleichen oder sogar sagen, welche die „schlimmste“ ist?
Ich bin pysik krank Ich brauche Hilfe