Und wenn es noch nicht gut ist, ist es noch nicht das Ende

Ich konnte kaum schlafen, denn ich wusste, die beiden Termine die vor mir lagen würden mir alles abverlangen. Zuerst ein Gespräch mit W. vom Sozialdienst, danach ein Gespräch mit Locke, nach dem unmöglichen Aufnahme/Einweisungsgespräch letzter Woche.
Ich wartete in der PIA auf W., weil er sich dort mit mir treffen wollte. Der Sozialdienst mit zwei Mitarbeitern ist der PIA angeschlossen, so wie es für jede Station einen Sozialarbeiter gibt. Früher, das heißt bis Sommer diesen Jahres, lag der Sozialdienst mit im Haus B, in dem die gesamte psychiatrische Abteilung untergebracht ist. Dies hatte sich aus Platzmangel verändert, sodass wir quer durch das Krankenhausgelände zu seinem Büro gingen.
In dem kleinen Zimmer setzte ich mich und ich musste kämpfen, dass ich nicht direkt in Tränen ausbrach. Ich erklärte ihm erst meinen (kurzen und schwierigen) beruflichen Werdegang. Abitur 2014, Studium…Psychiatrie. Ausbildung….Psychiatrie. Bufdi….Psychiatrie. Alles, was ich je begonnen hatte, endete in der Psychiatrie, wo ich völlig entkräftet wieder zu mir kam. Er hörte mir zu und riet mir dann zu beruflicher Reha. Davon hatte ich am Freitag bei der Psychiaterin bereits gehört und mir im Vorfeld Gedanken dazu gemacht. Ich wusste, das es derzeit wahrscheinlich der beste Weg für mich war. So gab er mir alle nötigen Informationen, erzählte von Voraussetzungen und Anträgen, dem Weg dorthin. Für mich als Schwerbehinderte sei es recht einfach, da das Amt nicht noch einmal extern (beim Amtsarzt und Amtspsychologen) prüfen müsse, das wirklich Bedarf an der Maßnahme war. Die Bearbeitungszeit und der Antrag dauert ohne Ausweis bis zu 3 Monate…mit Behindertenausweis aber wesentlich schneller.
Die Maßnahme, die ich machen sollte, lautet Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme (BVB). Definiert wird sie auf der Homepage des Trainingszentrums folgendermaßen:

Angeboten wird diese Einzelmaßnahme seelisch behinderten Menschen, die mit einer anschließenden Ausbildung ihre Eingliederung in den Arbeitsmarkt erreichen wollen. — Quelle: BTZ Dresden

Die Dauer liegt mit 11 bis maximal 18 Monaten vor. Denn, Hand aufs Herz: nach 3 Versuchen muss ich mir eingestehen, dass ich noch keine Ausbildung schaffe. Am Donnerstag aller zwei Wochen bietet das BTZ Dresden eine Infoveranstaltung an, die sozusagen verpflichtend für zukünftige Teilnehmer der Maßnahmen ist. Man bekommt erst einen Überblick über das BTZ allgemein, die Leistungen etc. und dann einen Rundgang durchs Gebäude. Dort werden dann alle Stationen vorgestellt.
Zugegeben, anfangs war ich von der Idee nicht begeistert. Eine Maßnahme, um überhaupt eine Ausbildung zu schaffen? Ich hab sogar mein Abitur geschafft! Aber dann überlegte ich und sah es ein, das es mit Aufgeben und Versagen und Scheitern nichts zu tun hat. Denn es ist eher ein Versagen, würde ich nochmal 2 Ausbildungen beginnen und nicht schaffen, so wie das Studium, Ausbildung, Bufdi…
W. riet mir also, die Infoveranstaltung zu besuchen und dann noch mal über meine Entscheidung Bescheid zu geben;  ob der Antrag gestellt wird oder nicht. Dabei werde ich nämlich vom Sozialdienst unterstützt. Danach lief ich, mit vielen Fragen und Zweifeln, Gedanken und Problemen im Kopf wieder zur PIA.
Dort wartete ich lesend auf Locke. Sie kommt sonst immer mit dem breitesten Grinsen ins Wartezimmer, das ich kenne, und holt mich dort ab für das Gespräch. Gestern nicht. Sie wirkte eher reserviert, mit harten Zügen um den Mund. Wir gingen in ihr Zimmer und verglichen die Diary Card aus der Klinik. Alles leer, trotzt hohem Druck, das heißt keine Selbstschädigung. Dann redeten wir erst über den Bufdi und die Kündigung desselben. Im Rollenspiel übten wir das und danach grinste sie mich begeistert an. Sie war sehr stolz auf mich. Und ich erklärte ihr, wie man als soziophober-Blickkontakt-hassender Mensch diese Hürde überwindet: man schaut auf den Mund. Merkt kein Mensch…
Im Anschluss redeten wir noch über die berufliche Reha (was sie eine gute Idee fand) und die Weiterführung der Therapie, falls es wegen der Arbeit nicht geht. Dann kam der schwierigste Teil: ich entschuldigte mich für mein blödes Verhalten letzte Woche und wir redeten noch ein wenig Smalltalk. Und lachten sogar manchmal. Das war schön. Danach war alle Härte aus ihrem Gesicht verschwunden. Und mir fiel ein Stein vom Herzen. Die Fronten waren also wieder geklärt.

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