Mit kalten Fingern greife ich an meine Kehle. Außer einer Mischung aus keuchen, stöhnen und seufzen entfährt ihr nichts. Meine Augen füllen sich langsam mit Tränen, während ich vergeblich versuche, die Töne hinunter zu schlucken. Während mir die erste über meine Wange zu meinem Kinn fließt, merke ich, wie sich mein gesamter Körper verkrampft.
Ich kann mir nicht vorstellen, das ich das erneut durchmachen muss. Das wieder die Angst Herr über meine Gedanken, Empfindungen und letztendlich auch über mein Leben wird. Es bringt mich regelrecht zum verzweifeln, daran zu denken, dass ich wieder heimgesucht werde von dem Monster, das wir Angst nennen.
Die Frage ist: wovor?
Vor der Psychose? Der Depression? Oder schlicht und ergreifend der Angst? Ich weiß es nicht, ich weiß es nicht, ich weiß es nicht schreit alles in mir. Wie ein Mantra sage ich diese Worte immer wieder auf. Währenddessen erhebe ich mich und taumle ins Bad. Im Spiegel starrt mir mit roten Augen und glitzernden Tränen auf der Wange eine Fremde zurück. Ich versuche das Bild mit meinen Fingern zu verwischen, doch sie verschwindet einfach nicht. Mein Versuch scheitert, sodass ich panisch gegen den Spiegel schlage.
Mein Blick fällt auf die glitzernde Rasierklinge, die auf der Ablage neben der Zahnpasta liegt. Als wäre ich nicht mehr fähig meine Bewegungen zu steuern muss ich zu sehen, wie sich meine Hand ihr nähert. Schließlich streichle sanft über die kalte Oberfläche der Klinge. Irgendwann, nach scheinbar langer Zeit, nehme ich sie vorsichtig auf. Und plötzlich streife ich meinen Ärmel hoch, als Teil des Rituals, und setze sie an. Die erste Sekunde überkommt mich ein Gefühl der Angst, dann Wut, letztendlich aber Niedergeschlagenheit. Ich sehe zu, wie sich der bläuliche Schnitt langsam mit hellrotem, arteriellen Blut füllt. Es dauert, bis sich ein Gerinnsel gebildet hat und meinen Arm entlang läuft und in das Waschbecken fällt. Die Angst tritt erneut in den Vordergrund. Während ich automatisch zum nächsten Schnitt ansetze, frage ich mich, wo das befreiende Gefühl bleibt, welches mir so vertraut ist. Immer nachdem ich geschnitten habe überkommt mich Gelassenheit. Zuversicht. Hoffnung. Ein Gefühl, das mir sagt: „Das war das letzte Mal. Nun kann ich damit aufhören. Aber dieses letzte Mal war noch wichtig.“ Aber es kommt nicht. Angst, denke ich nur. Angst, Angst, Angst.
Immer mehr rote Tropfen bahnen sich ihren Weg über den bereits von vielen Narben hügeligen Arm hinunter ins Waschbecken. Ich schluchze.
Die Angst bleibt. War es das wert?