Der Weg

Es ist vermutlich mein vorerst letzter Monat mit Locke. Sie lässt es immer mal wieder anklingen („jetzt müssen wir den Kuchen aufessen, den wir geöffnet haben“) aber irgendwie möchte ich es nicht akzeptieren. Ich soll „den Fuß in die Tür kriegen“ um die derzeitige Abwärtsspirale zu stoppen. Sie weiß auch „das es derzeit scheiße ist“ aber direkte Lösungsmöglichkeiten gibt es ihrerseits auch nicht. Aufgrund dessen habe ich nächste Woche Freitag – nur zur Beratung erstmal – einen Termin bei der Pia Psychiaterin. Ich will eigentlich keine Medikamente – aber ich will auch erstmal normal leben und eine stabile Stimmung haben. Ich will nicht den Rest meines Lebens aller paar Monate von einer Depression aus dem Rennen genommen werden. Dazu kommen noch Stimmen und ein seltsames Echo (?) Erleben, ich kenne das von mir bisher gar nicht. Ich habe Angst. So schreckliche, schreckliche Angst. Ich weiß nicht, was ich tun soll, den ich habe bereits so viel getan. Wovor kann ich auch nicht genau sagen. Es ist da, es ist übermächtig. Dazu mischt sich die schlechte Stimmung und der gehemmte Antrieb, und das Nicht-Können.
Fr. Ludwig von der AWO, in der ich ja immer in der Kunsttherapie und manchmal zu Gesprächen bin, sowie zur SHG, ist auch nicht unbedingt optimistisch. Ich rede ziemlich offen mit ihr, weil sie einen anderen Ansatz hat als die klassischen Psychotherapeuten. Die Sozialpädagogen gehen da nochmal etwas anders ran. Aber sie hat das böse „K“ Wort ausgesprochen, das ich nicht hören will.
Einerseits möchte ich mich verkriechen. Um Hilfe flehen. Zusammen gekauert da sitzen und jammern und weinen. Und dann kommt jemand und schenkt mir seine Aufmerksamkeit und kümmert sich um mich und dann wird alles gut.
Das ist eine illusorische Ansicht. Niemand kann diese Gefühle von mir nehmen. Keine Umarmung, kein liebes Wort wird mir je helfen. Aber sie können unterstützen. Sie können mir zeigen, das es noch etwas außerhalb der schwarzen Tage gibt.
Andererseits möchte ich mit erhobenem Blick kämpfen. Ich möchte aufrecht vor meinem Feind stehen, ihm tief in die Augen blicken und mit unmissverständlichen Worten Adieu sagen. Ihm mit einem einzelnen Hieb den Garaus machen. Auf nimmer wieder sehen, Depression.
Ich habe es nicht verdient. Keiner hat das. Aber ich will die Zeit genießen, die mir auf Erden bleibt und nicht an jedem einzelnen Tag aufwachen und weinen müssen, weil es so weh tut zu leben. Ich möchte nicht vor Schmerz und Anspannung zittern, wenn mich jemand fragt, wie es mir geht. Ich möchte irgendwann erzählen können, das es mir gut geht. Seit Monaten. Seit Jahren. Das ich befreit bin aus diesen Klauen, die mich immer wieder und immer tiefer in das Dunkel hinab ziehen.
Mein Herz schlägt leise in meiner Brust. Eine Erinnerung, das ich noch lebe. Selbst wenn die Bilder, die ich nächtlich sehe, versuchen mich vom Gegenteil zu überzeugen.
So oft fühle ich mich wie eine Ratte, die in eine Falle gedrängt wird und wild um sich beißt – obwohl man sie nur retten und vorm Tode bewahren will.

Frohe Ostern

Allen meinen Lesern ein paar schöne Feiertage. Egal wie ihr feiert, was ihr feiert, welcher Religion ihr angehört…genießt die schönen Frühlingstage.
Derzeit geht es mir nicht allzu gut. Meine Stimmung schwankt von himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt. Ich ziehe mich zurück, lass es zu, Hauptsache es wird nicht schlimmer. Mein Schlaf ist noch nicht besser und zeitweise mit heftigen Alpträumen.
Mit Locke läuft es gerade besser denn je, jedoch ist das Thema Wechsel zu der anderen Therapeutin hoch im Kurs. Aber sie hat mir in den letzten Sitzungen viel Feedback gegeben, was mich sehr gefreut hat, da ich die Fremdeindrücke immer zum Realitätscheck brauche. Das tat auch gut. Und ab und an etwas lästern 😉
Ich überlege ernsthaft das ich es noch einmal mit einem Antidepressivum probiere. Es ist derzeit sehr schwer für mich meinen Alltag und meine Aktivitäten aufrecht zu halten, meine Stimmung kippt sehr oft ins Extreme. Und meine automatischen, depressiven Gedanken tun ihr übriges dazu. Ich denke die meisten kennen das, was ich meine. Man braucht nur eine kleine Situation, einen winzigen Auslöser und schon wird eine Lawine an unangenehmen Gefühlen los gebrochen. Und dem folgen die immer selben Gedanken:

  • „Mich mag doch sowieso niemand. Ich werde nie die Chance haben, akzeptiert und gemocht zu werden. Jeder hasst mich. Es ist alles so schrecklich. Ich bin so allein.“
  • „Nie bin ich gut genug.  Ich werde nie meine Ziele erreichen. Alles ist so schwer, nur mir geht es so.“
  • „Die anderen haben es so einfach. Alle haben es besser. Jeder ist glücklicher als ich. Ich bin einfach nur gefangen in der Depression. Nie wird es besser.“
  • „Es war schon so und wird immer so sein. Es kann nicht gut werden. Die Welt ist schrecklich, ich bin schrecklich, meine Gedanken sind schrecklich. Keiner kann mir helfen.“

Und das geht dann die ganze Zeit so. Und selbst zieht man sich immer weiter hinein in diesen Strudel. Ich könnte den Teufelskreis durchbrechen, aber derzeit schaffe ich es nicht einfach so.
Irgendwie geht es mir in der Zeit um Ostern immer besonders schlecht. Ob das Frühjahrsmüdigkeit ist oder etwas anderes, ich weiß es nicht. Jedenfalls war Ostern schon längere Zeit nicht unbeschwert und schön.

Chaos

Gerade ist so ein Wust in mir. So ein Gedankenknäuel.
Alles und nichts.
Viel und wenig.
Licht und Dunkelheit.
Verzweiflung und Hoffnung.
Angst und Freude.

Alles ist da.
Aber nichts fühlt sich echt an.
Alles nur so „halb“.
Ich – nicht ganz?
Ich will mich fühlen.
Im Regen stehen und tanzen.
Singen, schreien, stampfen.
Chaos.

Zwischen den Welten

Ich bin derzeit ein bisschen nachlässig mit dem schreiben, ich weiß. Das liegt zum einen daran, daß so viel nicht passiert, zum anderen das ich nicht so wirklich weiß wie es mir geht.
Ich würde nicht behaupten das ich derzeit depressiv bin, ich denke ich kann das mittlerweile einschätzen. Aber mir fallen manche Dinge so schwer. Auch würde ich das nicht darauf schieben, das ich zu hause bin, ohne Arbeit etc. Damit komme ich derzeit ganz gut zurecht, ich habe mir viel aufgebaut.
Es ist eher… Die Ruhe vor dem Sturm. Es macht mir etwas Angst.
Ich schwanke zwischen Emotionalität und absoluter Gefühllosigkeit.
Emotionalität – ohne traurig zu sein kommen mir ständig die Tränen, was eher untypisch für mich ist. Wenn es mir richtig schlecht geht weine ich auch mal. Aber nicht bei Filmen/Liedern, so wie es derzeit der Fall ist. Und das völlig ohne vorausgehende Gefühle oder Gedanken, einfach so, bei vielen Tätigkeiten.
Gefühllosigkeit – ich laufe irgendwie durchs Leben und es ist ok so wie es ist. Aber wenn etwas schönes passiert freue ich mich nicht, wenn negative Nachrichten komme bin ich nicht traurig.
Zu dem werden die Ängste/Befürchtungen wieder mehr. Und ich will das einfach nicht. Möchte mich sträuben vor allem. Möchte nicht einsehen das mein Zustand schwankt und einfach weiter machen. Die Ängste lähmen und ich kann kaum darüber reden. Mit niemanden, weil ich mir so doof vorkomme. Die Reaktionen sind für mich einfach immer bedrückend und machen mich noch unsicherer. Auch Locke versteht mich da oft nicht.
Generell kommen wir derzeit nicht so richtig auf einen Nenner.
Ich weiß langsam einfach nicht mehr, was ich machen soll. Ich will nicht so weiter leben, Locke ist gegen Klinik und ich habe auch nicht so Lust auf Medis, aber nur drüber reden hilft akut nicht. Ablenken nur kurzzeitig. Mit anderen Menschen… Traue ich mich nicht.
Eigentlich würde ich am liebsten meine altbewährte Taktik nutzen. Verkriechen, mit niemandem reden, still leiden. Ich weiß jedoch, wo das hinführt…
Ist eine verzwickte Situation.

Unklarheit

Arbeitsperspektive ungeklärt. Ob ich weiter mache oder aufgebe. Ob ich die Station wechsle oder versage. Am Montag ein Gespräch mit dem Sozialdienst. Thema: wie geht’s weiter? Im Raum steht berufliche Reha. Aber ob das was bringt? Ob es mir schlecht genug geht? Ob ich das Recht dazu habe?
Wie stelle ich mir mein Leben vor? Das ich reich werde hab ich nie verlangt. Nur glücklich werden erhoffe ich mir. Mit dem, was ich tue. Mit dem, was ich bin.
Ich verlange nicht viel: nur eine Ausbildung zu haben und zu arbeiten. Und dabei nicht völlig unter zu gehen.

Angst vor der Angst

Mit kalten Fingern greife ich an meine Kehle. Außer einer Mischung aus keuchen, stöhnen und seufzen entfährt ihr nichts. Meine Augen füllen sich langsam mit Tränen, während ich vergeblich versuche, die Töne hinunter zu schlucken. Während mir die erste über meine Wange zu meinem Kinn fließt, merke ich, wie sich mein gesamter Körper verkrampft.
Ich kann mir nicht vorstellen, das ich das erneut durchmachen muss. Das wieder die Angst Herr über meine Gedanken, Empfindungen und letztendlich auch über mein Leben wird. Es bringt mich regelrecht zum verzweifeln, daran zu denken, dass ich wieder heimgesucht werde von dem Monster, das wir Angst nennen.
Die Frage ist: wovor?
Vor der Psychose? Der Depression? Oder schlicht und ergreifend der Angst? Ich weiß es nicht, ich weiß es nicht, ich weiß es nicht schreit alles in mir. Wie ein Mantra sage ich diese Worte immer wieder auf. Währenddessen erhebe ich mich und taumle ins Bad. Im Spiegel starrt mir mit roten Augen und glitzernden Tränen auf der Wange eine Fremde zurück. Ich versuche das Bild mit meinen Fingern zu verwischen, doch sie verschwindet einfach nicht. Mein Versuch scheitert, sodass ich panisch gegen den Spiegel schlage.
Mein Blick fällt auf die glitzernde Rasierklinge, die auf der Ablage neben der Zahnpasta liegt. Als wäre ich nicht mehr fähig meine Bewegungen zu steuern muss ich zu sehen, wie sich meine Hand ihr nähert. Schließlich streichle sanft über die kalte Oberfläche der Klinge. Irgendwann, nach scheinbar langer Zeit, nehme ich sie vorsichtig auf. Und plötzlich streife ich meinen Ärmel hoch, als Teil des Rituals, und setze sie an. Die erste Sekunde überkommt mich ein Gefühl der Angst, dann Wut, letztendlich aber Niedergeschlagenheit. Ich sehe zu, wie sich der bläuliche Schnitt langsam mit hellrotem, arteriellen Blut füllt. Es dauert, bis sich ein Gerinnsel gebildet hat und meinen Arm entlang läuft und in das Waschbecken fällt. Die Angst tritt erneut in den Vordergrund. Während ich automatisch zum nächsten Schnitt ansetze, frage ich mich, wo das befreiende Gefühl bleibt, welches mir so vertraut ist. Immer nachdem ich geschnitten habe überkommt mich Gelassenheit. Zuversicht. Hoffnung. Ein Gefühl, das mir sagt: „Das war das letzte Mal. Nun kann ich damit aufhören. Aber dieses letzte Mal war noch wichtig.“ Aber es kommt nicht. Angst, denke ich nur. Angst, Angst, Angst.
Immer mehr rote Tropfen bahnen sich ihren Weg über den bereits von vielen Narben hügeligen Arm hinunter ins Waschbecken. Ich schluchze.
Die Angst bleibt. War es das wert?

Die Horrornacht

„André?“
– „Ja?“
„Mein Kopf rauscht.“
– „Wie kann man sich das vorstellen?“
„Als hätte man Kopfhörer auf die man nicht abnehmen kann.“

Endlich zu Ende ist eine wahre Horrornacht. Ich kann kaum rekonstruieren was ich alles geträumt habe, was ich alles gehört habe (von Geräuschen über Rauschen über Hochfrequenzen über laute Gedanken).
Einschlafen war nicht möglich, ich musste weinen, war am Ende, konnte kaum mehr atmen. Habe den armen André die ganze Zeit wachgehalten. Medikamente wirkten nicht. Mir wurde schlecht durch die Einnahme.
Als läge aller Weltschmerz auf meinen Schultern. Als gäbe es keine Zukunft mehr. Alle Hoffnung, Freude, positive Gedanken waren verschwunden.
Wenn ich versuchte, zu schlafen, schreckte ich durch die plötzlichen Geräusche und Stimmen auf. Mir läuft es bei der Vorstellung kalt den Rücken herunter.

Und alles, was mir dann noch bleibt, ist diese grenzenlos Einsamkeit und meine Sehnsucht, die nach dir schreit…Und alles was mir dann noch bleibt, ist immer wieder diese endlose Einsamkeit…

Staubkind — Gnadenlos
Vormittags war ich durch den Tablettencocktail außer Gefecht gesetzt und habe geschlafen. Irgendwann erwachte ich und ich fühlte mich, als hätte ich ewig geschlafen.

Akzeptanz

Die Woche war bisher recht ereignislos. Am Montag hatte ich wieder ein Einzelgespräch bei Locke. Wir haben über die Nachtängste geredet, Ursachen ergründet und Lösungen betrachtet. Wahrscheinlich wäre das Beste, an der Realitätsprüfung dran zu bleiben, denn es fällt mir immer noch oder wieder schwer, Geräusche und Gedanken als „real“ einzuschätzen. Ich denke die meisten können das auch verstehen, ohne psychotisch zu sein. Wenn ich etwas höre, ganz eindeutig, dann ist es da. Es ist definitiv da. Da gibt es keine Diskussion. Und wenn ich das erzähle, schaut mich Locke an, fragt mich noch einmal ob ich mir sicher bin und ob es nicht – zufällig – sein könnte, dass ich die Einzige bin, die es hört. Es tut weh, das gefragt zu werden. Es ist jedes Mal ein Stich in die Brust. Die sichere Erkenntnis, verrückt zu sein. Ich verstehe bis heute nicht wie das sein kann, was mit mir passiert. Vermutlich muss ich das Ganze vorerst akzeptieren.
Um Akzeptanz ging es auch am Mittwoch, als ich ein Vorgespräch für eine Borderline-DBT-Skillgruppe hatte. Die Psychologin war mir fremd, aber sie war charakterlich ähnlich wie Locke. Sie ist die zweite Psychologin in der PIA und ebenfalls noch eher jung. Ich kannte sie bisher nur vom sehen und von den Berichten anderer PIA-Patienten, die ich stationär kennengelernt habe. Sie erklärte mir den Sinn der Gruppe, wie weit sie sind, welche Themen behandelt werden etc. Vermutlich werde ich in die Montagsgruppe gehen, die 15 Uhr stattfindet.
Nachmittags war ich dann wieder in der Ergotherapie und habe mein Sitzkissen fertig gestellt. Jetzt muss es nur noch vernäht und gestopft werden.
Heute war ich mit Laura auf einem Reiterhof in Dresden-Weißig, wo wir einen Termin für Reitunterricht für nächste Woche ausmachen konnten. Ich bin ziemlich nervös, ich saß bestimmt vier Jahre nicht mehr im Sattel. Aber mal sehen, deswegen nehme ich ja Unterricht.

Ungewisse Angst

In wenigen Minuten trete ich meinen Weg zur PIA an. Ich weiß nicht, was mich heute, an dem Tag an dem ich gleich zwei Termine habe, erwartet. Jede Faser meines Körpers ist zum zerreißen gespannt. Ich hab Angst. Wovor? Ich weiß es nicht. Einerseits natürlich vor dem Termin und was dabei heraus kommt, andererseits habe ich in letzter Zeit so eine Grundangst, von der ich nicht weiß warum sie da ist, wann sie gekommen und ist und wann sie geht, wie ich mit ihr umgehen soll.
Es bleibt abzuwarten.
Das Denken fällt mir so schwer und das Schreiben auch. Ich fange jeden Satz gefühlte hundertmal an um ihn dann doch wieder zu löschen. Das Sprechen ist am Schlimmsten, da habe ich die meisten Fehler. Ich stammle und finde die Worte nicht. Oder rede kurz gesagt Unsinn.
Ich habe Angst der Psychiaterin zu sagen, dass ich keine Medikamente mehr nehme. Oder der Psychologin, was mich so sehr unter Stress setzt und was ich befürchte. Ich weiß, das ich sagte, das sie verständnisvoll ist. Sie wird es verstehen. Ich kann trotzdem nicht darüber reden.

Schattenfrau

Ich vermute das die Schattenfrau, Anführerin der Schatten selbst, ein Wesen ist, dass alle meine Ängste ineinander vereint. Erst durch eine belastende Beziehung zu einer ehemaligen Freundin ist mir das klar geworden. Die Schattenfrau bündelt alle Angst, die ich vor der ehemaligen Freundin habe in sich, alle derzeitigen Ängste, jede Sorge und jedes unterdrückte Gefühl. Damit ist sie mein persönlicher Peiniger und Dämon – oder eben der Schatten, den ich werfe. Sie ist ich und ich bin zu Teilen wie sie. Die Schattenfrau ist allmächtig, immer präsent, kann meine Gedanken lesen und mir Befehle erteilen.
Irgendwann muss ich sie bekämpfen, sonst wird sie gewinnen.