2. Februar

Termine heute:
– Hausärztin Blutentnahme
– Agentur für Arbeit: Reha Antrag absprechen, weiteres Vorgehen planen
– Jobcenter: Arbeitslos melden, ALG2 beantragen
1) Hausärztin
Verhältnismäßig lange gewartet, dann Blutentnahme. Wie immer, rechter Arm, weil man nur da eine gute Vene ertasten kann. Die liegen bei mir einfach blöd.
2) Afa, Reha
Nachdem ich erst mal im falschen Gebäude war, bin knapp zur rechten Zeit aufgetaucht. Die Mitarbeiterin war total lieb und ist auch gut auf mich eingegangen. Sie hat den Rehaantrag mit mir besprochen und dann das weitere Vorgehen mit mir besprochen, zB. das ich noch zum ärztlichen Dienst der AfA muss.
Sie braucht noch ein paar Daten von mir, dann geht alles seinen Gang. Sie wird mich in der Angelegenheit auch noch weiter betreuen, was mich freut, da sie wirklich lieb war.
3) Jobcenter
Dann musste ich warten und warten und warten, bis ich mich arbeitslos melden konnte, und dann nochmal warten, um das im PC einzutippen seitens der Mitarbeiter dort. Dann noch zur ALG2 Antragsabteilung, da wurden mir die Dokumente gegeben und ich hab einen Termin bekommen für nächste Woche Dienstag und Donnerstag.
Dort waren die Mitarbeiter sehr unfreundlich, genervt und gereizt.


Gestern Abend ging es mir nach der SHG echt beschissen und ich habe mich nach circa 2 oder 3 Monaten wieder selbstverletzt.

Ein kleiner Schnitt

Ich wusste, irgendetwas stimmt mit mir nicht, als ich mich zum ersten mal verletzte.
Eigentlich habe ich mich schon immer selbst verletzt. Zuerst habe ich Wunden aufgekratzt, um die Narbenbildung zu fördern, bis es wieder geblutet hat. Dann habe ich mich gekratzt. Oder Fingernägel gekaut. Mich geschlagen. Keine Ahnung, warum ich das getan habe. Vielleicht weil ich schon immer sensibel und feinfühlig war und irgendwie mit der Masse an Gefühlen und Eindrücken zurecht zu kommen.
Aber das Schneiden begann 2009. Mit dem Mobbing.
Ich hatte eine alte, spitze Nagelschere von meiner verstorbenen Oma gehabt. Damit kratzte ich mir recht lange, rote Striemen auf die Arme. Ich steigerte die Intensität, bis kleine rote Tropfen aus den roten Linien krochen. Das machte ich einige Zeit so. Ich versuchte auch andere Utensilien – Messer, spitze Pinzetten, Feilen. Alles, was irgendwie spitz oder scharf war. Aber die Wunden waren sehr oberflächlich. Es blieben keine Narben.
2010 fand ich dann das Mittel zur Wahl, vor allem „inspiriert“ von einer Mitpatientin in der Klinik. Die Rasierklinge. Sie hat mich nie im Stich gelassen.
Meine ersten Schnitte mit der Rasierklinge waren auch noch oberflächlich, so wie man sich beim kochen schneidet. Irgendwann wollte ich tiefer schneiden. Ich durchschnitt die Oberhaut und schnitt bis auf die Lederhaut. Die Wunden wurden größer und tiefer, die Narben dick, rot und wulstig.
Es gab Zeiten, da schnitt ich jeden Tag. Allerdings auch Phasen, in denen ich Wochen nicht ritzte.
Oft verlor ich die Kontrolle. Ich dachte: „Ein kleiner Schnitt… Das wird niemand merken!“ Sobald ich aber die Klinge angesetzt hatte, wurden es mehr und mehr.
Ich wollte nicht, das ich mehr Narben auf den Armen hatte. Ich testete verschiedene Bereiche meines Körpers. Die Oberschenkel. Der Knöchel. Der Bauch.
Aber ich mochte es am meisten, die Arme zu schneiden. Bald wurde auch der rechte Arm verletzt. Im Sportunterricht wickelte ich mir jedesmal die Unterarme ab mit Kompressionsbinden. Lieber Binden über die ganzen Arme, als die Narben zeigen.
So konnte ich neue Wunden auch immer verstecken.
Das erste mal, als ich bis auf die Unterhaut schnitt, war April 2012. Warum ich mich an dem Tag so tief schnitt, weiß ich nicht. Ich sah zum ersten mal das gelb-körnige Fettgewebe. Ich fuhr zum nähen in die Notaufnahme.
Lange verletzte ich mich nicht mehr, bis 2014. Da häuften sich wieder die Selbstverletzungen. 2015 wurde ich mehrmals genäht, geklammert und gestript. Nach einiger Zeit bekam ich das wieder unter Kontrolle.
Svv ist ein zwanghaftes, aber auch suchtartiges Verhalten. Einfaches aufhören ist oft nicht möglich.
Ich wünschte, niemals damit angefangen zu haben. Und kann nur jedem, der daran denkt sich zu verletzen raten, andere Wege zu finden, um zurecht zu kommen.

Angst vor der Angst

Mit kalten Fingern greife ich an meine Kehle. Außer einer Mischung aus keuchen, stöhnen und seufzen entfährt ihr nichts. Meine Augen füllen sich langsam mit Tränen, während ich vergeblich versuche, die Töne hinunter zu schlucken. Während mir die erste über meine Wange zu meinem Kinn fließt, merke ich, wie sich mein gesamter Körper verkrampft.
Ich kann mir nicht vorstellen, das ich das erneut durchmachen muss. Das wieder die Angst Herr über meine Gedanken, Empfindungen und letztendlich auch über mein Leben wird. Es bringt mich regelrecht zum verzweifeln, daran zu denken, dass ich wieder heimgesucht werde von dem Monster, das wir Angst nennen.
Die Frage ist: wovor?
Vor der Psychose? Der Depression? Oder schlicht und ergreifend der Angst? Ich weiß es nicht, ich weiß es nicht, ich weiß es nicht schreit alles in mir. Wie ein Mantra sage ich diese Worte immer wieder auf. Währenddessen erhebe ich mich und taumle ins Bad. Im Spiegel starrt mir mit roten Augen und glitzernden Tränen auf der Wange eine Fremde zurück. Ich versuche das Bild mit meinen Fingern zu verwischen, doch sie verschwindet einfach nicht. Mein Versuch scheitert, sodass ich panisch gegen den Spiegel schlage.
Mein Blick fällt auf die glitzernde Rasierklinge, die auf der Ablage neben der Zahnpasta liegt. Als wäre ich nicht mehr fähig meine Bewegungen zu steuern muss ich zu sehen, wie sich meine Hand ihr nähert. Schließlich streichle sanft über die kalte Oberfläche der Klinge. Irgendwann, nach scheinbar langer Zeit, nehme ich sie vorsichtig auf. Und plötzlich streife ich meinen Ärmel hoch, als Teil des Rituals, und setze sie an. Die erste Sekunde überkommt mich ein Gefühl der Angst, dann Wut, letztendlich aber Niedergeschlagenheit. Ich sehe zu, wie sich der bläuliche Schnitt langsam mit hellrotem, arteriellen Blut füllt. Es dauert, bis sich ein Gerinnsel gebildet hat und meinen Arm entlang läuft und in das Waschbecken fällt. Die Angst tritt erneut in den Vordergrund. Während ich automatisch zum nächsten Schnitt ansetze, frage ich mich, wo das befreiende Gefühl bleibt, welches mir so vertraut ist. Immer nachdem ich geschnitten habe überkommt mich Gelassenheit. Zuversicht. Hoffnung. Ein Gefühl, das mir sagt: „Das war das letzte Mal. Nun kann ich damit aufhören. Aber dieses letzte Mal war noch wichtig.“ Aber es kommt nicht. Angst, denke ich nur. Angst, Angst, Angst.
Immer mehr rote Tropfen bahnen sich ihren Weg über den bereits von vielen Narben hügeligen Arm hinunter ins Waschbecken. Ich schluchze.
Die Angst bleibt. War es das wert?