Gestern morgen, 9 Uhr, ich sitze im Regionalexpress Richtung Hof. Mein Platz ist ein Vierer, mir gegenüber sitzt ein Mann mit Anzug, Brosche am Rever, ein IPad in den Händen. Ich überlege, was er wohl arbeitet, was er da geschäftig im Zug zu tun hat – am Ostersonntag, einen der heiligsten Tage des Christentums.
Kurz vor Chemnitz stockt der Zug plötzlich – von überall hört man Becher, Flaschen und Gläser von den Tischen fallen. Rechts neben meinem Platz fällt einer Dame der Starbucks-Kaffeebecher mitten in den Schoß – ich reiche ihr mit einem sanften Lächeln ein Taschentuch.
Glauchau – Sachsen – Ausstieg in Fahrtrichtung rechts.
Ich schultere meinen schwarzen Armee-Rucksack, steige aus dem Zug aus. Mufasa steht längst am Gleis und winkt mir zu. Ich laufe ihm entgegen und umarme ihn, dann steigen wir ins Auto und fahren den Weg nach Hause.
Nach dem Mittagessen schlagen meine Eltern vor, etwas zu unternehmen. Ich freue mich darüber – ich erinnere mich an Kinderzeiten, in denen wir zu Ostern im hiesigen Waldgebiet spazieren gegangen sind. Dieses Jahr jedoch laufen wir nicht durch den Graurock, unser Ziel liegt etwas weiter entfernt.
Nach einer knappen halben Stunde fahren wir auf einen Parkplatz. Meine Eltern Mufasa und Löwenherz sowie mein älterer Bruder betrachten bewundert die Kirche im Ortsteil Wolkenburg/Mulde von Limbach-Oberfrohna.
Wir bestaunen die klassizistische Kirche, die sehr hell und fast schon modern aussieht. Es erinnert mich an mein Studium der Kunst/Architekturgeschichte. Ein Angestellter der Kirche lässt uns schätzen, wie hoch das Kirchenschiff ist. Ein anderer Besucher schätzt 25 Meter – mein Bruder 10 Meter – und ich 8,5 Meter. Und: ich habe Recht – bis auf den Zentimeter genau geschätzt. Ich bin stolz auf mich.
Nachdem wir die Kirche besucht haben, laufen wir zum Schloss Wolkenburg und laufen durch die Räumlichkeiten, betrachten alte Gemälde, lernen über den Künstler Fritz von Uhde und sehen auch den Festsaal, in dem immer noch Hochzeiten getraut werden. Vor allem die Bibliothek gefällt mir besonders.
Eine kleine Runde durch den Ort, an den Fluss der Zwickauer Mulde, über eine kleine Brücke, dann wieder hoch zur Kirche und zurück zum Auto.
Zu Hause gibt es Kaffee und selbstgemachte Fruchttörtchen. Wir reden. Sitzen beieinander . Ich bekomme ein Osterkörbchen geschenkt, mit Aufstrich und Schokolade.
Mir geht es gut. Die Stimmen sind weg und die Welt ist in Ordnung. Atmen. Dieses Gefühl genießen. Glücklich sein. Es werden wieder Tage kommen, an denen alles Grau ist. Aber es wird auch Tage wie heute geben, an denen es gut ist und es schön ist, zu leben.