Ich möchte heute über ein Thema schreiben, welches mich schon lange beschäftigt. Es ist ein Thema, dass sehr emotional ist und mit dem ich mit Sicherheit anecke. Aber es muss einfach gesagt werden, da es mich ganz und gar nicht kalt lässt.
Der Titel sagt schon alles: psychische Erkrankungen sind kein Wettbewerb! Und was ich damit meine, ist Folgendes…
Gerade in Social Media fällt es mir immer wieder auf. In der Beschreibung steht, welche Diagnose man hat, manchmal sogar wann und wie oft man in Kliniken gewesen ist. Es werden Fotos geteilt von Selbstverletzungen oder es wird täglich darüber geschrieben wie schlecht es einem geht. Diese Accounts florieren und haben oft mehrere Hundert bis tausende Follower.
Dagegen spricht ja erstmal nichts. Ich denke schon, dass der Austausch über psychische Krisen helfen kann. Ich führe ja selbst einen Blog und Instagram-Account über mich und meine Erkrankungen. Aber was mich wirklich nervt: das Vergleichen.
Nein, es geht nicht darum ob ein User zwei oder fünf Diagnosen hat.
Nein, es geht nicht darum, ob man deine Selbstverletzung nur verbindet oder mit mehreren Stichen nähen lassen muss.
Nein, es geht nicht darum wie oft und wie lange du in Kliniken warst.
Jeder darf sich mal hängen lassen und selbst bemitleiden. Aber wenn das das einzige Thema ist, was erhoffst du dir davon? Mitleid? Aufmerksamkeit?
Ich denke nicht, dass man „kränker“ ist, weil man nur 5 Milligramm eines Medikaments bekommt und keine 15 Milligramm.
Ich denke nicht, dass es schlimmer ist, nur eine Diagnose zu haben und als drei.
Warum dann vergleichen sich so viele, hauptsächlich jüngere User? Was ist der Mehrwert?
Und bin ich weniger „schlimm dran“ weil ich mich seit 3 Jahren nicht aktiv selbst verletzt habe?
Warum betteln manche so sehr um Aufmerksamkeit und leugnen im nächsten Post eben jene?
Und warum verniedlichen und romantisieren so viele ihre Erkrankungen? Warum ist es „chic“ eine Depression zu haben, oder seine Essstörung „Ana und Mia“ (Ana = Anorexia nervosa, Mia = Bulimia nervosa) zu nennen?
Ich kenne das Gefühl auch: man möchte gehört werden, man möchte Zuspruch, und ja, manchmal möchte ich Mitgefühl und einfach ein liebes Wort hören.
Aber ich bin noch so viel mehr als meine Erkrankung! Ich bin Ehefrau, Katzenmama, Blogger, Künstler, Klavierspieler,….und nicht nur „die Schizophrene“. Warum also das ständige fokussieren auf Dinge, die nicht gehen, anstatt sich darüber zu freuen, was noch immer geht? Einfach auch mal die positiven Dinge sehen, mögen sie noch so klein sein?
Ich möchte niemanden verurteilen, der so einen Social Media Account unterhält und eben solchen Konten folgt. Aber ich möchte nachdrücklich sagen, dass ich es nicht gutheiße, wenn man in so einen starken Vergleich gerät. Gerade bei Essstörungen und Selbstverletzung fällt mir das eben sehr stark auf.
Du darfst leiden, du darfst schreien und weinen und ja, manchmal ist das Leben verdammt unfair! Aber das Leben hat auch so schöne Seiten, warum dann nicht darüber freuen und lieber die schönen Momente feiern? Warum keinen Fokus auf die schönen Seiten?
Lieber schreibe ich über alle blöden, aber umso mehr über die schönen Dinge im Leben. Natürlich bin ich aber auch offen und teile auch die schwierigen Phasen. Was mir aber wichtig ist, dass Leben als Amplitude zu sehen: mit Auf und Abs, mit Schwankungen, mit wechselnden Stimmungen. Und diese Erfahrungen haben auch Menschen ohne psychische Krankheit.
Ich möchte mein Leben leben! Zwar mit ein paar Stolpersteinen auf meinem Weg, aber ich gehe immer weiter. Ich stolpere vielleicht, manchmal fehlt mir der Atem, aber ich bin immer in Bewegung. Ich vergesse nicht meine Vergangenheit und die Krisen, die ich durchlebt habe. Aber das ist vielleicht das Wichtigste: mit seinen Fehlern leben lernen, weitermachen, kämpfen, einfach nicht Aufgeben!
Sehr schön, liebe Anna, das spricht mir aus dem Herzen. Ich finde das Vergleichen schlimm und auch das Hypen von z.B Depressionen. Eine Depression kann eine schlimme Krankheit sein. Es ist kein Zustand, in dem man mal ein bisschen traurig ist oder sich mies fühlt.
Und Dein Appell, auch über die viele anderen Dinge zu schreiben oder sprechen, die ein Leben ausmachen ist so wichtig.
Liebe Anna,
ich bin da ganz bei Dir.
Ich habe nochmal versucht, mich hineinzuversetzen, da ich auch schon solchen Verhaltensmustern unterlegen war. Und ich glaube, das ist der Punkt. Es sind Muster oder Strategien, die so tief sitzen und ihre Gründe haben. Es gibt tatsächlich das Phänomen „Identität durch Krankheit“. Ich kenne Phasen, da wusste ich nicht mehr, was mich ausmacht und dass ich den Fokus wieder (oder endlich mal) auch auf eine andere, positivere Seite legen sollte. Ich konnte es aber nicht, ich war „blind“ und „verfangen“, obwohl ich spürte, dass diese Strategien gewisse Probleme verstärkte und das Bedürfnis dahinter nie und nimmer so zu erreichen ist.
Erst nach viel Selbstarbeit, Therapie, neuen sozialen Kontakten und wieder erlebter Selbstwirksamkeit außerhalb der Krankheit, kann ich das wieder sehen und vor allem spüren.
Ich finde es super, dass Du in Deinem Beitrag dieses „Problem“ aufgreifst und diese Fragen dazu stellst; und dass Du als Person mit Deinen Beiträgen einen Weg aufzeigst, der nicht immer einfach, aber möglich ist – und so viel mehr als Krankheit bedeutet. Und andere Dinge so wertvoll macht..