Ambivalenz und Stimmen

Ich bin zwar ein Frühjahrskind, aber ich liebe über alles den Herbst. Mit den Füßen in frischen, nassen Laub zu rascheln, sich mit einer Tasse Tee aufs Sofa flauschen, Kastanien und Nüsse sammeln, im wunderbar bunten Park spazieren zu gehen, den Duft von Regen. Ich kann diese ganzen Emotionen, die mich einholen, kaum beschreiben. Aber eines kann ich sagen: sie fühlen sich so lebendig, so kräftig und dynamisch an, das mein Herz einen Sprung macht und ich um einiges besser gelaunt bin.
Allerdings kommt mit dem Herbst auch die kurze Lichtdauer, das schnellere untergehen der Sonne und damit auch…die Depression. Der Herbst- oder Winterblues erfasst mich beinahe jedes Jahr, und das seit sechs Jahren immer wieder. Ich bin grundlegend ein eher ernster Mensch. Aber meine Neigung zur Melancholie und zum Weltschmerz steigt doch im Herbst immer wieder an und macht mir daher das Leben schwer. Zu einem gewissen Anteil mag das normal sein. Aber ich denke, ich rutsche wirklich jährlich in eine depressive Verstimmung, mag diese auch nicht die Schwere meiner rezidivierenden Depressionen umfassen.
Um mich selbst ein bisschen zu kurieren, versuche ich möglichst viel Licht aufzunehmen (tagsüber spazieren gehen) aber auch abends (Kerzen anzünden). Außerdem will ich eine warmweiße Lichterkette in mein Zimmer hängen. Das ist nicht nur gemütlich, sondern gibt einem das verlorengegangen Sonnengefühl des Sommers.
Lang habe ich euch nichts von den Stimmen erzählt. Ein paar Monate (ab Juni schätzungsweise) war das Ganze auch kein Problem mehr für mich. Ich konnte recht gut schlafen, was die Stimmen ziemlich schnell verfliegen lässt und meine Stimmung war über den Sommer recht positiv. Aber seit einigen Wochen meldet sich die Stimme zurück. Im Mai hab ich geschrieben, das eine neue Stimme dazu gekommen ist. Eine männliche Stimme, die mir unbekannt ist. Nennen wir ihn der Einfachheit halber Demian. Demian also hat die unschöne Eigenschaft, mich a) aus dem Schlaf zu wecken, b) mehrmals lautstark meinen Namen zu rufen und c) sehr wütend zu klingen. Fast so, als wenn man als Kind etwas falsch gemacht hat und der böse Lehrer, von dem man irgendwie Angst hat, einen ruft um belehrt zu werden.
Letzte Woche, nach monatelanger Abstinenz, hat Demian mich gerufen. Ich war gerade bei André und er machte einen Mittagsschlaf, da rief er mich. Ich bin sofort zu André um nachzusehen, ob mit ihm etwas ist, aber er schlief. Also war es er…und es schien nicht aufhören zu wollen.
Weil ich meinen Stimmen Namen geben will, um es euch einfacher zu machen, nennen wir die weibliche Stimme, die kommentiert oder beleidigt, Eva. Eine Anspielung auf die Eva aus der Bibel darf und kann gezogen werden. Demians Name kommt aus dem gleichnamigen Roman Hermann Hesses, meinem Lieblingsautor.
Irgendwie macht es mir die Sache einfacher, diese Stimmen als „Personen“ mit einem Namen anzusehen, als einfach zu sagen, das es Halluzinationen sind.
Demian war ein paar Tage ruhig, was auch daran liegt, das ich derzeit keine Stressfaktoren habe. Häufig melden sich die Stimmen ja dann. Also warten wir ab, bis der Stress im November losgeht (Arbeit…) und ob Demian und Eva sich dann wieder zurückmelden.

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