Liebe Suizidgedanken,
Ich stehe am Gleis und der Zug fährt ein und nach so langer Zeit denke ich zum ersten Mal nicht mehr ernsthaft darüber nach, mich vor ihn zu stürzen.
Ich kann mehrere Tabletten in meinem Haushalt haben, ohne bei der täglichen Einnahme daran zu denken, sie alle auf einmal zu schlucken.
Ich schneide Zwiebeln mit einem meiner Küchenmesser, dabei verschwende ich keinen Gedanken daran, mir damit die Pulsadern aufzuschneiden.
Und auch wenn ein Polizist an mir vorbei läuft, schaue ich nicht instinktiv auf seine Waffe und überlege mir, wie ich sie entwenden könnte um mich hinzurichten.
Ich habe so viel Zeit in dich investiert. Tage und Nächte, Stunden um Stunden dachte ich an dich. Mit einer Mischung aus Angst, freudiger Erwartung, Hass, Liebe – all das empfand ich für dich. Gleichzeitig.
Du warst mir der rettende Anker auf stürmischer See. Wenn etwas nicht so lief, wie ich es mir vorstellte, dann war der Gedanke an dich meine Rettung aus der Flut von Gefühlen. Ich wurde selbstsicherer, es zu schaffen, wenn ich nur oft genug daran dachte – glaubte ich. Ich dachte mir, das die häufigen Gedanken an dich meine Entschlossenheit, dir zu folgen verstärkten.
Dann kamen die Tage, an denen wir getrennt wurden.
Du warst mir auf einmal, plötzlich, fremd. Und das, obwohl ich mich so sehr nach dir verzehrte. Jeder Gedanke an dich war mir kostbar und heilig. Ich dachte, ohne dich geht es nicht.
Dann kamen die Tage, an denen wir wieder zusammen fanden.
Und aus dieser Fremdheit hatte sich etwas entwickelt, was ich zuvor nicht von dir kannte. Du verlangtest so viel von mir. Ich war dir nicht mehr treu genug. Die Treue schwand, die Liebe, die Vertrautheit. Alles, was ich für dich empfand, war plötzlich anders.
Bis ich lernte, auch ohne dich auszukommen. Dieser Gedanke war erst wie eine kleine Flamme in meinem Inneren. Doch je öfter ich dich abwies, desto stärker glühte die Flamme in mir auf. Nun stehe ich vor dir und kann ein für alle mal sagen, dich nicht mehr zu brauchen.
Ich verlasse dich.
Für das Leben.
Es grüßt dich,
Anna
Daumen hoch.
Wir brauchen Dich.
Rainer
Gänsehaut!
“ Ein offener Brief“ – ist für mich wunderschön zu lesen! Weil du einen so großen Schritt gemacht hast, den du dir hart erarbeitet hast. Jetzt fängt ein neuer LEBENsabschnitt an. Freue dich darauf, sei neugierig, was das LEBEN dir zu bieten hat! Umarme das LEBEN!!
Deine Tante
Ein wunderschöner Brief. Liebe das Leben, es liebt dich auch