So heißt es in Sarah Kanes „4.48 Psychose“: es ist die Zeit, in der die Figur des Theaterstückes oft erwacht und einen Moment größter Klarheit erlebt.
Die Oper von Komponist Philip Venables durfte ich dreimal sehen, während der Generalprobe und zwei Aufführungen. Im Anschluss an diese hatte ich die Möglichkeit als Betroffene in einem Nachgespräch den Zuschauern Rede und Antwort zu stehen.
Das Stück von Sarah Kane hat mich tief beeindruckt, was auch an dem Zusammenspiel des Orchesters und der sechs Darstellerinnen lag. Die Musik, oft unerträglich laut und disharmonisch, die dann wieder durch Fahrstuhl-Musik wechselte, schuf eine zerrissene, surreale Atmosphäre. Dialogische Szenen, in denen eine Arzt-Patienten Gespräch erzählt wurde, wurden durch Perkussionisten untermalt, auf jede Silbe ein Schlag. Einmal schreien die Darstellerinnen, singen ein Klagelied oder flüstern nur.
Die Themen: Selbstverletzung, Zwangsbehandlung, Depression, Psychose und letztendlich: Suizid – den auch Sarah Kane wählte.
Meine Eindrücke waren bei jeder Aufführung etwas anders. Viele Kleinigkeiten realisierte ich erst beim zweiten oder dritten Mal. Das Stück schwankt zwischen tiefer Trauer, Wut, und eigensinnigem Humor. Zum Glück bin ich derzeit recht stabil – das Stück kann durchaus triggern, vor allem durch die schonungslosen Worte.
Im Nachgespräch kamen viele Fragen, zum Leben mit Psychose, wie man es schafft Krisen zu überwinden, aber auch Fragen an die Schauspielerinnen.
Froh bin ich, dass wir als Betroffene die Möglichkeit hatten, unsere Ansichten und Meinungen über die Oper zu erzählen. Denn letztendlich können wir diese Zustände am besten nachempfinden.
Wer das Stück sehen möchte, kann sich auf der Seite der Semperoper informieren und Karten vorbestellen. Die Aufführungen werden erst im September weitergeführt.
Link zur Semperoper: https://www.semperoper.de/spielplan/stuecke/stid/psychose/61265.html#a_26959