Ruhe.
Ich lese. Ich atme. Ich liege auf dem Rücken. Denke. Sinniere. Fasse mich.
Erst einmal zur Ruhe kommen auf Station.
Alte Bekannte treffe ich. Die Ärzte kennen mich. Nur die Schwestern nicht – eine neue Station.
Ruhe.
Ich muss Kräfte sammeln. Um weiter zu kämpfen.
Psychiatrie 7.0….
Dr. House und die Tabletten
Wer mal unter „Vita“ meine Diagnosensammlung durchgelesen hat, kann sich vorstellen, wie groß die Verwirrung meinerseits und seitens der Ärzte über meinen Zustand ist. Es gibt Fraktionen, die sich darüber sicher sind, ich sei der typische Borderliner, dann wiederum welche, die finden das gar nicht und ich sei ein klassischer Fall von psychotischem Erleben in Kombination mit Depression. Hie und da schreien manche daraufhin, ich habe eindeutig spezifische Phobien und soziale Ängste, meine Insuffizienzgefühle stammen daher und nicht durch eine Depression.
Manchmal würde ich dann am liebsten lautstark auf den Boden stampfen und um Ruhe bitten. Ich komme mittlerweile selbst nicht mehr mit.
Ich schwelge in Erinnerung an Liane, meine Oma väterlicherseits, die 2009 verstorben ist, wenn ich Dr. House anschaue. Vor ihrem Tod, ich war so 12 oder 13 Jahre, haben wir das manchmal zusammen gesehen oder darüber geredet. Nun habe ich in letzter Zeit nicht allzu viel vor oder kann mich zu nichts motivieren. Dann gehe ich auf Diagnosensuche mit Dr. House und mache das, was die Ärzte sonst mit mir machen. Ich sehe Aufnahmen von MRTs, von Lumbalpunktionen, von Tests, die die Zurechnungsfähigkeit oder die Stärke und die Art der Aphasie messen sollen. Und ich fühle mit den Patienten, denn ich habe diese Tests alle schon gemacht. Mehrmals sogar.
Ich weiß nicht, wie das Leben derzeit so läuft, denn ich laufe nicht mit. Tage verbringe ich auf dem Sofa, zu Hause, vor dem Laptop, mit dem Doktor.
Heute ein Termin bei Locke. Es stand nichts an und dennoch war das Gespräch gut. Fazit der Sitzung: ich soll die Depression, die seit wenigen Wochen wieder in mir aufgekeimt ist, bekämpfen. Mein derzeitiger Ansatz, das ich ja schon alles erdenklich getan habe, wird durch die Tatsache untergraben, dass ich seit zwei Monaten keine Tabletten mehr nehme. Und es brauchte einige Bedenkzeit, bis mir klar geworden ist, dass es derzeit einfach noch nicht ohne geht. Sowohl nicht ohne Antidepressiva, als auch ohne Antipsychotika.
Am Montag dann der Termin beim Psychiater (dem ich vor vier Wochen gesagt habe, ich will keine Medikamente nehmen…wie peinlich) und das hoffen, dass die Pillen wirken. Bis dahin schaue ich Dr. House zu, wie er Todkranken wieder auf die Beine hilft.
Woche 5 – Psychiatrie
Es lief dann doch alles schneller als geplant. Morgen ist die Entlassung aus der Klinik. Das Ende meines vierten Aufenthalts.
Rückblickend hat mir der Aufenthalt keine Punkte gebracht. Im Gegenteil. Irgendwie bin ich noch zurück gezogener, ängstlicher und depressiver geworden. Das interessiert hier aber niemanden, scheint mir. Ich freue mich auf meine Psychologin in der PIA. Sie war immer so nett und rücksichtsvoll. Vielleicht versteht sie auch, das der Aufenthalt dies mal nicht so gut war.
Damit endet Woche 5. Damit schließe ich vorerst ab.
II – Woche 4 -Psychiatrie
Ich habe das Gefühl, dass mich dieser Aufenthalt mehr zurück wirft denn aufbaut. Mir geht es irgendwie nicht so gut, ich bin depressiv, zurück gezogen, habe keinen Antrieb. Kurz um – es hat sich im Gegensatz zu vier Wochen eher verschlechtert. Was soll ich dagegen tun?
In der Oberarzt Visite am Mittwoch habe ich nach der Entlassung gefragt. Rumsitzen und mich langweilen kann ich auch zu hause, dafür brauche ich nicht in der Klinik sein. Deswegen werde ich vermutlich übernächste Woche, vielleicht gegen ärztlichen Rat, gehen.
An den Medikamenten wurde nur wenig verändert. Erst wollte man das Olanzapin absetzen und das Abilify lassen. Jetzt ist es anders herum. Das Olanzapin wurde erhöht und das Abilify reduziert. Ich verstehe dieses sinnlose Tabletten-Hin-und-Her nicht. Aber was bleibt mir anderes übrig, als brav weiter die Pillen zu schlucken und zu akzeptieren, was die Ärzte sagen?
Dieses Wochenende war eine Premiere. Ich durfte den ganzen Tag zu Hause sein und auch zu Hause schlafen. Tat das gut! Den Samstag habe ich zusammen mit meiner Schwester Laura verbracht. Ich habe mir einen Reiterhof in der Nähe angeschaut und hatte einen kleinen Test mit einer Pflegebeteiligung. Aber leider passen wir nicht zusammen, sodass es bei diesem Mal bleibt. Aber es war dennoch schön, mal wieder „am Pferd“ zu sein. Heute kommen meine Eltern. Ich bekomme etwas Hilfe, denn die eigene Wohnung überfordert mich zeitweise ein wenig. Das hätte ich vor einem Jahr auch noch nicht glauben können. Das ich es schaffe, eine Wohnung, einen Haushalt zu führen. Ich hab es mir zwar schon lange gewünscht, aber die Realität sieht meistens anders aus.
Damit endet Woche 4. Es war eine Woche, die sehr viel von mir abverlangt hat. Vor allem Ausdauer und den Mut zum Weiterkämpfen. Das ist wirklich schwer, und es wird auch von Tag zu Tag schwerer. Aufgeben erscheint dagegen so viel einfacher. Aber das ist keine Option.
II – Woche 2 – Psychiatrie
Die Tage vergehen, aber sie sind zäh und alles zieht sich in die Länge. Alle Zeit der Welt hat man hier und das wird einem ab und an zum Verhängnis.
In der Visite wurde nichts neues besprochen. Außer das das Venlafaxin auf stolze 450mg erhöht wurde. Das Olanzapin wird vielleicht ganz abgesetzt. Aber das wird langsam geschehen, Schritt für Schritt.
Mit meiner Zimmerkollegin komme ich in letzter Zeit sehr gut zu Recht. Sie ist schon etwas älter und hat ähnliche Interessen wie ich. Zusammen redet man also über gute Literatur wie über den Autor Paulo Coelho, Esoterik, das Leben und übers Theater. Auch wenn manche nicht daran glauben wollen (oder können), wir haben sogar zusammen gependelt und damit schwierige Entscheidungen gelöst. Das war eine ganz besondere Erfahrung.
Heute hatte ich wieder Gruppentherapie in der Skillgruppe. Über Skills habe ich in meinem Info-Beitrag zur Selbstverletzung bereits geschrieben. Da das aktuell wieder ein Problem ist, soll ich in der Gruppe erneut mitmachen. Auch bei meinen letzten Aufenthalten war ich Mitglied in den verschiedensten Skillgruppen. Auch in der KJP. Bisher habe ich aber noch immer nicht mein Mittel zum Zweck gefunden, um endlich den Kreislauf des Svv zu durch brechen.
Von Menschen und Ärzten
Dies ist mein zweiter Beitrag einer Blogparade – diesmal von swapy – zu einem meiner absoluten Lieblingsthemen: die Rolle der Ärzte in der Gesellschaft, der Bezug zu den Patienten und dem Arztberuf an sich.
Um ehrlich zu sein, weiß ich gar nicht, wo ich anfangen soll. Es gibt so viele Begegnungen mit Ärzten, was es mir unmöglich macht, alles zusammenzufassen. Aber in den letzten Monaten hatte ich kontinuierlichen Kontakt mit Ärzten, weswegen es mir unter den Nägeln brennt, darüber einen Beitrag zu schreiben. Um mich und meinen Blog vorzustellen: ich bin Psychiatrieerfahrene, seit knapp 5 Jahren in Behandlung und hatte bisher drei Aufenthalte in Krankenhäusern aufgrund von psychischer Krankheit.
Das Vertrauen
Es ist mir noch nie leicht gefallen, über meine Sorgen und Probleme zu reden. Irgendwann jedoch, nach jahrelanger Behandlung, ist es mir jedoch immer leichter gefallen, darüber zu reden. Am Anfang meiner Psychose hingegen hatte ich auf einmal keinerlei Vertrauen mehr in die weißbekittelten Menschen vor mir. Wie sagt man jemanden, dass man Angst vor Dingen hat, die nur Kinder fürchten? Wie erklärt man, was die quälenden Stimmen sagen, was man sich tagtäglich von einer nichtexistenden Schattenfrau anhören darf? Ich konnte es nicht und deutete maximal an, was ich empfand.
„Hören Sie Dinge, die andere nicht hören?“
Es waren immer wieder dieselben, typischen Fragen, die ich mir anhören durfte. Immer wieder. Immer wieder dieselben Tests, um zu prüfen wie mein Gedächtnis, meine Konzentration ist.
„Was ist der Unterschied zwischen einem Kind und einem Zwerg?“
Ich konnte diese demütigenden Fragen nicht mehr erhören. Konnte nicht mehr ertragen, für wie unzurechnungsfähig man mich hielt.
Irgendwann jedoch stellte ich fest, wie wichtig diese Fragen waren um abzugrenzen, welche Symptome ich habe. Die meisten Ärzte, wage ich zu behaupten, wollten mich nicht demütigen. Einige wenige lachten in den Visiten manchmal leise, wenn ich mich versprach, weil ich so durcheinander war. Auch ließ man mich nicht immer ausreden oder fragte, ob ich mir das Ganze ausdachte. Das war natürlich wirklich in dem Moment schlimm, denn ich hatte mich überwunden zu sagen, was ich sah, fürchtete und was mich bedrohte – und die Frage, ob das Ganze nur ein Scherz sei schmerzte mich ziemlich. Aber ich schluckte meine Wut hinunter und beteuerte, dass ich nicht log. Aber mit der Zeit festigte sich das Verständnis der Ärzte gegenüber meiner Eindrücke und die Tests wurden weniger, ich wurde nicht mehr gefragt ob ich log. Ich denke, das liegt zum Teil daran, dass ich nicht nur den Ärzten vertrauen musste. Die Ärzte mussten auch mir vertrauen. Einen Test bezüglich eines Blutwertes kann ich nicht fälschen. Ich kann auch keine Ergebnisse aus dem MRT oder dem EEG manipulieren, zumindest nicht gravierend. Jedoch ist es möglich, den Ärzten etwas vorzumachen, wenn sich die gesamte Krankheit im Kopf abspielt.
Die Behandlung
„Sie haben sich selbstverletzt? Das ist doch ganz normal. Solange Sie sich nicht die Pulsadern aufschneiden, sehe ich keinen Grund, Sie aufzunehmen.“
Ich war in einer Krisensituation und mir wurde eine Aufnahme zur Krisenintervention verwehrt. Es tat sehr weh, in seinem körperlichen und psychischen Schmerz alleine gelassen zu werden. Auch wenn dieser Vorfall einige Wochen zurückliegt, kann ich mich nicht davon distanzieren. Ich habe Angst, dass es wieder einmal soweit kommt, dass ich die Krisenintervention in Betracht ziehe, und dann nicht aufgenommen werde.
Eine ganz andere Art der Behandlung liegt in der medikamentösen. Derzeit nehme ich vier unterschiedliche Medikamente, davon ein Bedarfsmedikament. Sie wirken antidepressiv, antipsychotisch, sedierend und – haben heftige Nebenwirkungen. Für den Arzt ist es einfach, ständig Medikamente an- und abzusetzen. In Klinikzeiten wurde teilweise jede Woche die Dosis erhöht, dann plötzlich wieder abgesetzt und ein neues Medikament angesetzt. Ich wurde unter das starke Tavor gesetzt, sodass ich zu den Besuchszeiten mitten im Gespräch eingeschlafen bin. Von „Leben“ konnte nicht mehr die Rede sein. Ich kann mich zugegebenermaßen kaum an diese Zeit erinnern, weil mein Kopf so zugedröhnt war. Aber in meinem Klinik-Tagebuch und anhand Erzählungen kann ich diese Zeit rekonstruieren. Was sagten damals die Ärzte dazu? Man nannte es „Stabilisierungsphase“. Aber ich finde, es ist keine Möglichkeit den Patienten so stark zu sedieren, ihn willenlos zu machen, nur, damit er sich partout nicht wehren kann, dass er sich nichts antun kann. Für einige Zeit mag so etwas schon gehen, um den Patienten vor sich selbst zu schützen. Aber keine fünf Wochen lang!
Der Patient
Ich habe mich oft gefragt, wer oder was man als Patient ist. Ist man der Mensch, der vor dem Arzt auf dem Stuhl sitzt, seine Probleme beichtet und ins Gespräch kommt? Oder ist man die Akte, die viele Seiten stark ist und nur mühsam von einem Gummiband gehalten wird? Ist man die Diagnose nach dem ICD-10? Oder ist man ganz einfach ein Mensch, der Hilfe von einem anderen Menschen braucht?
Ich habe innerhalb der Zeit in der Klinik viele unterschiedliche Patienten kennengelernt. Die einen, die keinerlei Krankheitseinsicht hatten, die Ärzte beleidigt haben und die sich auch gegenüber der Mitpatienten unmöglich aufgeführt haben. Spontan fällt mir Frau M. ein, die mich auf dem Gang lauthals beleidigt hat, mich mit Flaschen beworfen und getreten hat. Sie war auf Drogen, sodass man ihr Verhalten entschuldigen konnte. Als sie einige Tage clean war, benahm sie sich besser und ließ mich in Ruhe. Die Ärzte jedoch nicht. Auch Frau F., die mit mir einige Zeit im Zimmer auf der geschlossenen Station war, beschwerte sich bei jeder Stationsversammlung über die Ärzte, behauptete das der Oberarzt sie nachts missbrauchte und verweigerte ihre Tabletten. Sie war psychotisch, aber ihr Verhalten gegenüber der Ärzte besserte sich auch nicht, als sie wieder in der Realität war. Natürlich gab es auch andere Fälle. Die Patienten, die auf die Ärzte hörten und sich nicht den Medikamenten und den Untersuchungen widersetzten. Ich sehe mich in dieser Gruppe der Patienten, auch wenn mir Unrecht getan wurde. Dennoch machte ich alles, was die Ärzte mir sagten. Selbst die unangenehmsten Untersuchungen wie die Lumbalpunktion und das vierte EEG meines Lebens.
Was sagt das nun alles über den Arztberuf aus?
Grundlegend kann ich den Ärzten nur dankbar sein. Ich habe nicht nur viel „fürs Leben“ gelernt, habe mich zurück ins Leben gekämpft, wurde unterstützt durch Gespräche und Medikamente, kurzum: mir wurde ein Stück Lebensqualität zurückgegeben. Das ich noch immer daran zu kämpfen habe, dass ich noch immer kämpfen muss und das es nicht innerhalb von wenigen Monaten wieder alles gut wird, ist mir klar. Ich habe auch Ärzte getroffen, den herzlich wenig an mir als Mensch lag und die mich nur als Fall behandelt haben. Aber es gab und gibt noch Ausnahmen. Zum Beispiel die Ärztin Dr. R., die ein langes Gespräch nach ihrer Schicht mit meiner Mutter geführt hat. Oder Dr. S., Chefarzt der Klinik, der bei den Visiten immer sagte, dass ich weitermachen, weiterleben muss. Das ich mir selbst beweisen soll, dass ich es schaffen kann, wieder zurück zu finden.
Entlassung
Heute, nach vier Monaten, war es soweit. Ich verließ die Klinik, endgültig.
C. schenkte mir eine Karte und einen Schoko-Marienkäfer. Die „Muttis“ verabschiedeten mich mit Küsschen und Umarmungen. Von den andren habe ich mich mit Handschlag verabschiedet.
Das abschließende Gespräch mit dem Psychologen war kurz, aber gut. Wir haben ein Resümee über die Behandlung in der Tagesklinik gezogen und die Therapieziele hinsichtlich ihrer Erfüllung betrachtet. Natürlich habe ich nicht allzu viel erreicht in der kurzen Zeit, bin aber sicherlich stabiler geworden.
Ich hatte zuvor ziemlich Angst vor dem Entlassungsbrief der Ärzte. Aber am Ende war dieser nicht so schlimm wie erwartet. Somatisch ist alles in Ordnung und unauffällig. Diagnosen sind ziemlich durchwachsen – von rezidierender depressiver Störung, gegenwärtig schwere Episode und polymorphe psychotische Störung mit Symptomen der Schizophrenie, bzw. Differentialdiagnose Vorlaufphase Schizophrenie. Das habe ich natürlich vorausgesehen…ich wusste in etwa was mich diesbezüglich erwartet. Von den Symptomen her war man sich auch einig. Anhedonie, Affektstarre, Konzentrationsprobleme, kaum emotional schwingungsfähig, ….
Am Montag habe ich meinen ersten Termin in der PIA. Dort werde ich dann sicher erklärt bekommen wie lange ich therapiert werde, welche Gruppen ich besuchen kann und wie oft ich Gespräche haben werde. Man muss sehen, wie es sich entwickelt. Ich bleibe gespannt.
I – Woche 17 – Tagesklinik
Nun ist es soweit. In einer Woche werde ich entlassen. Nachdem ich das Wochenende seit längerer Zeit mal wieder zu Hause, in der Heimat, war, werde ich meine letzten Tage in der Tagesklinik beginnen.
Manche Therapien werde ich definitiv vermissen, auf andere kann ich hingegen durch aus verzichten. Dabei muß ich unter anderem an die Körperübungen der Tanz- und Musiktherapie denken. Das ist einfach nichts für mich. Ich fühle mich bei solchen Dingen einfach unwohl.
Die Gespräche bei dem Psychologen der Tagesklinik waren auch sehr hilfreich. Besser, als die Psychologen der anderen Stationen. Ich bin ihm dafür sehr dankbar, da mich die wenigen Stunden, die ich bei ihm hatte, sehr viel weiter gebracht haben.
Dafür war die Visite heute recht sinnlos. Ich habe meine derzeitigen Probleme dargelegt, jedoch bekam ich nur Standard-Antworten und den Hinweis, einfach weiter an den Therapien Teil zu nehmen.
Heute war Entspannung in Form von Progressiver Muskelrelaxation nach Jacobsen. Leider hatte ich im Kopf keine Ruhe und wurde ständig beim Namen gerufen. Manchmal sind die Stimmen recht einfallslos. Genau so war es im Kino. Ich hatte einfach keine Ruhe. Mittlerweile geben sie mir Gedanken als eine Art „Kommentare“ oder Hinweise. So durfte ich mir anhören, dass ich mich nicht so haben soll. Oder auch, dass ich mir doch einfach die Pulsadern aufschneiden soll. Na Danke.
Ich kam heute zu spät in die Tagesklinik, weil ich zum zweiten Mal verschlafen habe. Hoffentlich steht das nicht im Arztbrief wie bei meinem ehemaligen Mitpatienten D. Bei ihm wurde seine „mangelnde Bereitschaft an den Therapien“ daran gemessen, obwohl er einfach Depressionen hatte und es ihm schwer fiel aus dem Bett zu kommen. Manchmal sind die Ärzte schon sehr frech, wenn es um die Arztbriefe geht. Man kann nur hoffen, dass meiner „netter“ wird.
III – Woche 16 – Tagesklinik
Es endet die vorletzte Woche in der Tagesklinik für mich.
Am 2. März habe ich bereits meinen ersten Termin in der PIA. Es ist ein Psychologisches Einzelgespräch, also vorerst kein medizinisches. Und das, obwohl man noch was an den Tabletten ändern wollte. Das ist mir ehrlich gesagt sogar recht wichtig, da ich derzeit mit den vielen Tabletten (vier unterschiedliche Sorten!) ziemlich unzufrieden bin.
Zum ersten Mal bin ich heute mit der Tagesklinik wandern gewesen. Zuvor war das immer nicht möglich, da ich Donnerstags meistens das Einzlespräch beim Psychologen hatte, doch dieser ist heute und morgen im Urlaub. Wir fuhren mit der Bahn nach Pillnitz, wo wir mit der Fähre auf die andere Seite der Elbe übersetzten. Dort fütterten wir erst Schwäne, Gänse, Enten und ziemlich dreiste Möwen, bevor wir uns auf den Weg zum Pillnitzer Schloß mit dazugehörigem Park machten. Wir hatten freie Wahl, wer mit wem wohin geht. Ich habe mich den „Muttis“ (ausschließlich Frauen 50+, die Depressionen haben und mich wie eine Ziehtochter behandeln) angeschlossen. Unsere Gesprächsthemen waren in der Stunde, die wir Zeit hatten, sehr durchwachsen. Von Lieblingsbüchern, Geschichte, Schulzeit und natürlich der Krankheit war alles vertreten. Es tat gut, mit den Anderen zu reden und nicht alleine zu sein. Gemeinsam erkundeten wir den Park, die Schlossanlage und beobachteten im Park Eichhörnchen, die sich ans Werk machten einige Nüsse zu finden und sogleich zu verstecken. Weil ich meinen Schal vergessen hatte, habe ich von der „Mutti“ D. einen Schal geliehen bekommen. „Mutti“ H. schenkte mir die Blüte einer Kamelie, die in einem eigens angefertigten Gewächshaus untergebracht war. Von der Orangerie ging es weiter zu der Büste der Gräfin Cosel (vermuteten wir), hinüber zu Basaltsäulen und dort trafen wir wieder auf unsere anderen Mitpatienten und unsere Ergotherapeutin, die uns begleitete. Mir war furchtbar kalt, aber es war ein wirklich schöner Spaziergang. Danach mussten wir leider schon wieder in die Klinik zurück. Wir nahmen den Bus über das Blaue Wunder, entlang an den Weinhängen der Elbe, durch verschiedene urige Stadtgebiete, die ich zum ersten Mal sah.
In der Klinik angekommen ging es zum Mittagessen. Nachmittags fiel die Musiktherapie aus, weil der Therapeut krank geworden ist. Dafür haben wir mit einer Krankenschwester eine alternative Form von „Mensch, ärgere dich nicht“ gespielt. Das war ein schöner Ausklang des Tages.
Der Freitag begann nicht so gut. Zuerst habe ich um Stunden verschlafen und bin trotzdem noch mal in der Straßenbahn eingeschlafen. Müde ging ich in die Klinik. Dabei habe ich allerdings ganz gut geschlafen, sicher 6 Stunden. Aber ich fühle mich dennoch wie gerädert. Als ich in der Klinik ankam, entschuldigte ich mich bei der Krankenschwester. Es war nicht schlimm, das ich verschlafen hatte. Nur habe ich die Morgenrunde und das Spiel in der Gruppe verpasst.
Der restliche Tag wird recht anstrengend. Erst Fitness/Sport, dann Progressive Muskelentspannung, tanzen und Abschlußrunde der Woche.
II – Woche 16 – Tagesklinik
Nachdem ich gestern Abend wieder einen Nervenzusammenbruch hatte, hatte ich heute gleich zwei Einzelgespräche bei meinem Psychologen. Gestern Nacht hatte André sogar bei der Station 82 (der geschlossenen) angerufen um zu fragen was wir machen sollen, wenn es mir so schlecht geht. Die Antwort war: „Solange Sie sich nicht lebensgefährlich verletzen, sehe ich keinen Grund für eine Aufnahme.“ Das war ein ganz schöner Schock.
Dafür haben wir im Einzelgespräch geklärt, dass ich bei der nächsten Krise für maximal vier Tage aufgenommen werde, um eine erneute Hospitalisierung vorzubeugen. Außerdem wird meine Verlegung auf die PIA bald erfolgen, wenn ein Platz frei wird. Meinen ersten Termin inder PIA habe ich heute schon ausgemacht. Er wird am 2. März stattfinden, bei einer mir noch unbekannten Psychologin. Ich bin über diese Einigung mit meinem Psychologen sehr froh. Er hat mir zu erst alle Möglichkieiten, die es gibt, vorgeführt und dann haben wir gemeinsam das Für und Wider abgewägt. Und ich finde auch, dass es so am besten ist. Das bedeutet nun, dass ich nur noch bis Ende Februar in der Tagesklinik sein werde. Aber das ist sicherlich erstmal die beste Lösung, da ich merke wie mir die TK psychisch extrem zu schaffen macht. Mein Psychologe meinte auch, dass die TK die anstrengendste Form der Therapie sei. Die PIA hingegen ist viel lockerer organisiert, da man nicht einen kompletten „Arbeitstag“ an Therapien mitmachen muss, sondern nur einzelne Angebote besuchen kann.
Zur Beruhigung für Krisensituationen habe ich heute zum Glück Bedarfsmedikation mitbekommen. Das Medikament heißt Promethazin, damit habe ich bereits vor meiner Einweisung gute Erfahrungen gemacht. Es sediert vorrangig, macht also müde, wirkt aber auch gegen psychotische Symptome, da es ein Neuroleptika ist (Neuroleptika sind Medikamente gegen psychotisches Erleben). Vorerst habe ich geringe Dosen mitbekommen, sicher weil ich ja unter anderem wegen Suizidalität behandelt wurde und werde.
Eigentlich freue ich mich jetzt schon richtig auf die PIA, da mir der Kontakt zu den anderen TK-Patienten zu viel ist. Ich mag wirklich alle sehr gerne, aber dieser enge Kontakt sorgt dafür, dass ich deren Probleme wie ein Schwamm aufsauge und es mir dadurch noch schlechter geht. Außerdem ist mir die Struktur noch zu straff, und da es keinen Rückzugsort gibt läuft mein Kopf auf Dauerfeuer.
Ich bin dem Psychologen, den ich jetzt in der TK habe, sehr dankbar. Ich mochte zwar auch die beiden Psychologinnen von der Station 82 und 84, aber er scheint bisher die meisten Erfahrungen gesammelt zu haben. Außerdem hat er wirklich gute Sichtweisen und Hinweise bzw. Tipps für Probleme. Und ich muss keine Verhaltensanalysen mehr machen 😉