Die Nacht habe ich schlecht geschlafen. War oft wach, bin aufgestanden, rumgetapst, wieder hingelegt. Konnte nicht einschlafen und war ständig unruhig. Natürlich war ich dann in der Maßnahme müde und kraftlos, hatte keine Motivation und mir sind ständig die Augen zugefallen.
Zum Glück hatten wir heute noch einmal technisches Zeichnen, was bei weitem besser ist als Metallverarbeitung. Ich hatte außerdem einen Termin bei dem Ausbilder für die Mediengestalter. Er hat sich meine bisherigen Arbeiten angeschaut und viel negatives dazu gesagt, sodass ich mit den Tränen gekämpft habe und mit mir über die Ausbildung, Inhalte, Arbeiten und Praktika geredet. Wir saßen sicher anderthalb Stunden da und erzählten, während neben uns die derzeitigen Prüflinge an ihren Abschlussarbeiten werkelten. Ich habe einige Arbeiten gesehen, die andere Schüler gemacht haben. Es waren einige sehr gute Arbeiten dabei, aber nichts, was ich nicht auch schaffen würde. Mir fehlen halt die Aufgaben und die guten Programme, denn kostenlose Alternativen sind dennoch nicht so leistungsstark wie Adobe-Programme, die die Branche beherrschen. Vor allem freut mich, das Webdesign ein Schwerpunkt in der Ausbildung ist, was mich ja besonders interessiert. Außerdem stellte er mir in Aussicht, das ich durchaus Chancen hätte mit meinem Talent. Er meinte er könne sich Illustration bei mir vorstellen, da die meisten nur mit dem PC umgehen können und die künstlerische Seite nicht können. Das ist ein guter Ausblick.
Allerdings wusste er von meinem derzeitigen Ausbilder, was meine Schwäche ist: Instabilität. Ich war auch so aufgeregt das ich ständig in Tränen ausgebrochen bin, ich war nicht kritikfähig und mit der Konzentration ist es auch schwierig. Aber das ist nichts, was ich nicht noch ändern kann. Mit Therapie, Unterstützung und Arbeit an mir selbst kann ich das noch ändern und die Ausbildungsreife erlangen. Das ist mir wichtig und ich werde das auch schaffen.
Nur noch drei Tage Metallverarbeitung und dann habe ich es geschafft. Morgen ist außerdem große Reha-Konferenz wo der aktuelle Stand besprochen wird, die Ergebnisse aus den Tests und den Aufgaben verglichen werden und ich mit der Psychologin, der Ärztin, dem Reha-Koordinator und dem Ausbilder rede. Es macht mich etwas nervös, weil da auch unweigerlich meine eher nicht so guten Resultate zum Vorschein kommen, aber ich muss damit konfrontiert werden. Ich bin nun mal nicht perfekt, das ist niemand, und es ist vollkommen in Ordnung nach so langer Zeit (2 Jahre!) und mehreren Psychosen und schweren Depressionen nicht mehr leistungsfähig zu sein wie zum Abitur, wo ich noch nicht so schwer behindert war durch die Erkrankung.
Ich muss es mir vorsagen wie ein Mantra: Ich bin nicht perfekt. Ich darf Fehler machen. Ich bin gut so, wie ich bin. Ich gebe mein Bestes. Ich bin nur ein Mensch, ich habe Fehler, ich habe Schwächen.