Obacht

Derzeit heißt es roter Alarm. Ich muss aufpassen, das ich nicht direkt in die nächste Krise schlittere. Ich habe eine Menge meiner mir bekannten Frühwarnzeichen für eine Psychose und direkt gut geht es mir auch nicht. Der Stress im BBW macht mich schon ziemlich fertig, ich mache ihn mir hauptsächlich selbst. Dennoch versuche ich mich gerade in die Gruppe zu integrieren (mit Erfolg) und mit den anderen gut zurecht zu kommen. Mit Chris fahre ich oft mit dem Bus nach Hause und rede auch in den Pausen mit ihm, mit den anderen beiden bin ich noch nicht so grün.
Dadurch das es mir derzeit eher mies geht habe ich bis zum 2.6. eine Arbeitszeit-Verkürzung. Statt 7 1/2 Stunden nur 4 1/2 Stunden. Die Psychologin hat meine Situation ernst genommen und direkt reagiert. Ich habe am Donnerstag noch ein kurzes Gespräch mit ihr, wie es so läuft. Derzeit ist es in meinem Kopf ziemlich laut. Ein Genuschel die ganze Zeit und dann ab und an Stimmen. Derzeit dominiert die männliche, Demian, er ist am aktivsten. Und das obwohl sonst Eva immer so gesprächig ist…
Gestern war ich in der SHG und wir haben gepicknickt, bis uns ein Gewitter überrascht hat. Für mich wurde ein Kuchen mit einem Einhorn drauf gebacken und von Frau Ludwig bekam ich Veggie Schokolade und Tee. So lieb! Ich hab mich richtig sehr gefreut. Nach dem wir im Regen durch die Neustadt liefen, sind wir noch was trinken gegangen.
Am Montag nächste Woche geht vermutlich meine Einzelkunsttherapie los und ich werde noch zur Entlastung mit Frau Ludwig ein Gespräch führen. Sie unterstützt mich in meiner Krise auch so gut es geht und das freut mich sehr. Es ist derzeit nicht einfach und das verstehen zum Glück alle. Ich war gestern so geschafft das ich beim Picknick oft in Tränen ausgebrochen bin. Ich hasse das, es ist mir peinlich.

15. Februar

Es ist gerade alles ein wenig schwierig. Die Situation mit dem Amt spannt mich an, die familiäre Situation, weil ich mir große Sorgen um meine Mutter mache, die erneut eine Thrombose hatte. Wenn’s kommt, kommt alles zusammen. Und man hat keine Chance aus den Stromschnellen ans Ufer zu schwimmen. Ich weiß nicht ob es daran liegt oder an der Jahreszeit oder an etwas anderem. Ich werde schnell gereizt, ich komme schwer hoch, ich habe keine Lust mehr. Wie oft habe ich das schon durchgemacht? Wie oft gesagt, das ich nicht mehr kann und will? So oft. Und immer habe ich es dennoch geschafft und diese Zeiten überlebt. Es ist nur so schwer geradeaus zu schauen, wenn alles dagegen zu sein scheint. Zukunftsdenken ist verschwommen und unklar, Motivationen weg, Hoffnungen und Träume. Dazu noch die alltäglichen Sorgen oder die, die man sich um Nahestehende macht. Ich versuch einfach dagegen anzukämpfen. Weiter zu machen.
Heute war SHG, wir waren Eislaufen. Ich hatte anfangs Angst, das ich es nicht mehr kann (das letzte Mal war schätzungsweise drei Jahre zurück). Aber es lief nach kurzer Eingewöhnungszeit ganz gut – und ich bin nicht hingefallen.
Am Wochenende war ich in der Heimat,  bei Andrés und meiner Familie gleichermaßen.
Die Woche habe ich ansonsten nichts zu tun, außer Kunsttherapie am Mittwoch. Locke hat Urlaub, somit fällt der Termin auch aus. Warum gerade jetzt?, denke ich mir. Ich hätte ein Gespräch gebrauchen können. Aber zu den PIA-Psychiatern will ich nicht…denn die wissen gegen depressive Verstimmungen nur eins: Medikamente erhöhen.

Träum weiter

Gestern war ich mit A. zum Erfahrungsaustausch der Selbsthilfegruppen in Dresden. Als wir das letzte Mal da waren, waren wir allein…mit einer Frau aus dem Selbsthilfenetzwerk. Aber gestern waren noch vier weitere Gruppen da, teilweise mit zwei Repräsentanten. Ängste, Sozialphobie, Depression und Selbsterfahrung, sowie wir beide von der SHG junge Menschen mit seelischen Problemen. Es lief gut, sodass wir für Mai ein erneutes Treffen geplant haben.
Heute wollte ich eigentlich in die Stadt, etwas erledigen. Aber ich war einfach zu platt. Derzeit ist es früh wieder echt schlimm. Ich hasse morgen…ich hab da immer null Motivation, Lust, Kraft. Kaum aus dem Bett fall ich aufs Sofa und bin wieder erstmal so entkräftet, das an nichts zu denken ist. Der Morgen ist die schlimmste Tageszeit für mich. Da krachen die depressiven Stimmungen immer richtig rein.
Dafür läuft es mit dem Schlafen endlich besser. Ich brauche zwar noch immer einige Zeit zum einschlafen, circa eine oder zwei Stunden, aber dann geht es. Ich wache zwar häufig auf, aber schlafe insgesamt sieben bis acht Stunden. Und das ist eine deutliche Steigerung. Fühle mich damit auch besser.
Am Wochenende bin ich allein, weil André nach Hause macht. Mal sehen, was ich da so machen kann. Meine Erledigung nachholen auf jeden Fall. Und basteln fürs Upcycling-Wichteln. Vielleicht einfach ein wenig spazieren gehen…und lesen!

Diagnosenwirrwarr

Ach, was soll ich sagen? Das Leben ist langweilig, wenn man in der Luft hängt und mal wieder nicht weiß, wie es weiter geht. Der Antrag für die Reha konnte noch nicht gestellt werden, weil Locke noch nicht das Schreiben fertig hatte, das sie beilegen wollte. Indem wollte sie meine „Krankheit“ darstellen und aufzeigen, warum es aus therapeutischer Sicht sinnvoll ist, das ich die Reha mache.
Ich habe Angst davor. Ich weiß nicht, was da drin stehen wird, aber ich vermute, das alles wieder auf BPS herauslaufen wird. Ich werde das nie, nie, nie akzeptieren. Depressionen, sehe ich ein. Ängste, sehe ich ein. Stimmen hören und psychotische Krisen, sehe ich ein. Aber Borderline?
Ich würde schon sagen, das ich einige Borderliner kenne. Und die sind alle a) viel schlechter dran als ich, sind b) zum Teil traumatisiert und haben einen längeren Leidensweg, c) ganz andere und vielfältigere Symptome und d) …will ich einfach nicht „emotional instabil, Borderline Typ“ sein.
Locke kommt immer wieder und fragt, aus welcher Richtung die Symptome kommen. „Entweder ist das emotional-instabil oder sie sind psychotischer Natur“.
Es müsste mir eigentlich egal sein. Ich weiß es eigentlich besser: BPS ist sehr vielfältig. Es ist NUR eine Diagnose. Ich bin nicht die Diagnose. BPS ist nicht die doofe „Ritzkrankheit“, mit impulsiv-aggressiven Patienten.
Ich würde mich so gerne von der Diagnose lösen können. Möchte nicht darüber nachdenken, was ich habe … oder was ich dadurch bin. Ich bin ein Mensch mit Problemen. Na und? Alles in Ordnung. Warum fällt mir das nur so schwer? Warum sperre ich mich so gegen die ganzen Diagnosen? Könnte mir das nicht egal sein?
Ich möchte weder das eine (schizophren) noch das andere (Borderlinerin) sein. Einfach nur ICH sein. Behandelt, wie es mir gut tut und nicht, wie man das bei dieser oder jener Krankheit macht.


Gestern war ich mit der Selbsthilfegruppe auf dem Weihnachtsmarkt. Wir waren nur drei Mitglieder, plus unserer Aufpasserin, die die SHG leitet. Nennen wir sie Fr. Ludwig. Sie hatte ein Babyjahr, und nun ist sie zum zweiten Mal wieder da. Ich kenne sie also noch nicht weiter. Aber der Besuch auf dem Markt war wirklich schön. Wir konnten gut reden…zum Beispiel über Kunst, Musik, Reisen (sie war in Alaska – ein Traum von mir), Kochen etc. Mir ging es relativ gut und ich konnte mich öffnen. A. war wieder mit dabei und wir verstehen uns auch gut, würde ich sagen. Es war wirklich schön. Das war für dieses Jahr unser letztes Treffen. Und ich bin so froh, dabei zu sein. Es tut mir sehr gut. (Erstaunlich, bin schon ein halbes Jahr mit dabei…wie die Zeit vergeht) Die Leute sind alle sehr nett und was mir besonders Spaß macht ist, anderen zu helfen und sie zu unterstützen. Und wenn es nur durch einen gut gemeinten Rat ist, eine kleine Aufmunterung. Ich mochte das schon immer. Und hier habe ich die Möglichkeit dazu.