II – Woche 4 -Psychiatrie

Ich habe das Gefühl, dass mich dieser Aufenthalt mehr zurück wirft denn aufbaut. Mir geht es irgendwie nicht so gut, ich bin depressiv, zurück gezogen, habe keinen Antrieb. Kurz um – es hat sich im Gegensatz zu vier Wochen eher verschlechtert. Was soll ich dagegen tun?
In der Oberarzt Visite am Mittwoch habe ich nach der Entlassung gefragt. Rumsitzen und mich langweilen kann ich auch zu hause, dafür brauche ich nicht in der Klinik sein. Deswegen werde ich vermutlich übernächste Woche, vielleicht gegen ärztlichen Rat, gehen.
An den Medikamenten wurde nur wenig verändert. Erst wollte man das Olanzapin absetzen und das Abilify lassen. Jetzt ist es anders herum. Das Olanzapin wurde erhöht und das Abilify reduziert. Ich verstehe dieses sinnlose Tabletten-Hin-und-Her nicht. Aber was bleibt mir anderes übrig, als brav weiter die Pillen zu schlucken und zu akzeptieren, was die Ärzte sagen?
Dieses Wochenende war eine Premiere. Ich durfte den ganzen Tag zu Hause sein und auch zu Hause schlafen. Tat das gut! Den Samstag habe ich zusammen mit meiner Schwester Laura verbracht. Ich habe mir einen Reiterhof in der Nähe angeschaut und hatte einen kleinen Test mit einer Pflegebeteiligung. Aber leider passen wir nicht zusammen, sodass es bei diesem Mal bleibt. Aber es war dennoch schön, mal wieder „am Pferd“ zu sein. Heute kommen meine Eltern. Ich bekomme etwas Hilfe, denn die eigene Wohnung überfordert mich zeitweise ein wenig. Das hätte ich vor einem Jahr auch noch nicht glauben können. Das ich es schaffe, eine Wohnung, einen Haushalt zu führen. Ich hab es mir zwar schon lange gewünscht, aber die Realität sieht meistens anders aus.
Damit endet Woche 4. Es war eine Woche, die sehr viel von mir abverlangt hat. Vor allem Ausdauer und den Mut zum Weiterkämpfen. Das ist wirklich schwer, und es wird auch von Tag zu Tag schwerer. Aufgeben erscheint dagegen so viel einfacher. Aber das ist keine Option.

Zitate

„When I was five years old, my mother always told me that happiness was the key to life. When I went to school, they asked me what I wanted to be when I grew up. I wrote down ‚happy‘. They told me I didn’t understand the assignment, and I told them they didn’t understand life.“

John Lennon

Gedenken

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Ich muss zugeben, einige Zeit überlegt zu haben, ob ich diesen Beitrag schreibe und veröffentliche. Es gibt zu viele Mythen, die den Flug 4U9525 umschleiern, zu viele Worte, um zu beschreiben, was geschah, viel zu viel Unklarheit durch die Medien. Ob Andreas Lubitz, der Co-Pilot, der das Flugzeug gegen die französischen Alpen steuerte, psychisch labil oder krank war, ist widerlegt. Aber kaum wurde der Verdacht geäußert, wurden sofort Stimmen laut, die ein strengeres Arbeitsverbot für psychisch Kranke fordern.
Mehr kann ich zu dem Absturz nicht sagen als, dass ich an alle Opfer dieses tragischen Unfalls gedenke. Es wurde schon zu viel gesagt, zu viele pathetische Worte. Es wurde schon genug vermutet, behauptet, widerlegt. Worte können aber nicht den Schmerz beschreiben, den wir alle tief in unserem Herzen spüren.
Deswegen keine weiteren Worte an dieser Stelle. Nur Stille. Nur ein weiterer Beitrag über ein Thema, über das so viel gesagt wurde.

I – Woche 4 – Psychiatrie

Das Wochenende verging leider schneller, als ich wollte. So ist das mit der Zeit – sie mag kaum vergehen, wenn ich auf Station bin. Und sie rennt, wenn ich die kostbaren Stunden außerhalb bin.
Am Sonntag war ich mit meinen Eltern,  André und Laura in Moritzburg. Wir haben uns das Schloß von Aschenbrödel angesehen und sind spazieren gegangen. Die Pferde, die die zahlreichen Kutschen in Moritzburg zogen, hatten es mir besonders angetan. Ich streichelte sie auch. Es tat gut, das Fell und die Wärme der Pferde zu spüren. Ich muss definitiv wieder reiten gehen wenn ich draußen bin.
Ein wunderbarer Tag….
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Am Montag hatte ich nur Handwerk/Ergotherapie. Ich webe an meinem zweiten Sitzkissen in blau-grauer Farbe. Es macht Spaß, ist aber auch anstrengend. Ansonsten lese ich viel, denn es passiert mal wieder nichts.
Heute habe ich noch ein Gespräch mit der Psychologin. Das Gespräch war eigenartig. Wir redeten über meine Ängste außerhalb der Station, dass ich denke jeder schaut mich an und redet über mich. Irgendwie kamen wir dann auch noch darauf zu sprechen, dass ich vor diesem ungenauen „Etwas“ Angst habe. Das ich immer denke, irgendwas schreckliches passiert gleich. Irgendwie schaffte ich es, mich da so rein zu steigern, dass ich sehr große Angst hatte. Nach einiger Zeit ging es dann aber wieder besser und wir konnten weiter reden.

Woche 3 – Psychiatrie

Unmerklich erst, doch mittlerweile eindeutig – der Frühling grüßt uns. Er hat Freude daran uns mit seinen Sonnenstrahlen sanft zu küssen, seine Winde uns anzutragen, sich uns Jahr für Jahr schüchtern erst, dann deutlicher, vorzustellen.
Auch hier hat der Frühling Einkehr gehalten. Man merkt es mit jeder Brise, die durch die halb vergitterten Fenster weht.
In der Visite gestern war wieder der Chefarzt da. Er hatte das Wort und beschloß meine Medikamente leicht zu verändern. Mal sehen wie sich jetzt die Ängste entwickeln. Was die Stimmen machen. Ich bekomme weiterhin Olanzapin und Abilify. Eigentlich wollte man das Olanzapin absetzen – davon ist man jetzt weggekommen.
Dafür ist der Druck zu schneiden sehr groß. Zum Glück habe ich kein „Werkzeug“ zur Hand. Sonst wäre es sehr schwer für mich, zu widerstehen.
Der Klinikalltag geht ansonsten seinen Gang. Ich habe nur wenige Therapien am Tag. Handwerk gibt es auch seltener. Das sorgt manchmal schon für Langeweile.
Am Wochenende darf ich höchst wahrscheinlich wieder von 8-20 Uhr nach Hause. Das freut mich und ich kann es kaum erwarten.

Ablenkung und Origami

Ich gebe zu, ich hatte eine negative Einstellung gegenüber der Psychologin auf Station. In der ersten Sitzung hatte ich kaum Wille, mitzuarbeiten und habe mir keine Mühe gegeben, zu erklären, wie es mir geht. Verhaltensanalysen waren ein rotes Tuch für mich und ich weigerte mich, jedes Mal eine auszufüllen, wenn ich mich selbstverletzte. Was in letzter Zeit ziemlich oft vorkam. Gestern musste ich wieder eine schreiben, aber ich tat es eher für den Pfleger, der mich gestern nett versorgte als für die Psychologin. Heute hatte ich ein Gespräch mit ihr. Und es lief wider Erwarten echt gut. Wir haben richtig gut miteinander geredet und nicht gegeneinander, sie hat gute Vorschläge für Alternativen genannt, sie reagierte gut auf meine Anspannung, die ich mit ins Gespräch gebracht habe…es war ein echt gutes Gespräch, das muss ich sagen. Wir haben sogar jeder so viel Vertrauen gezeigt, wie möglich. Ich soll in mein Tagebuch schreiben, was ich alles schaffe (und nicht, was ich nicht kann, was ich nicht schaffe) und es nächste Woche zeigen. Damit habe ich sogar kein Problem, auch wenn das Tagebuch etwas sehr intimes ist. Aber ich bin gewillt, das zu machen.
Zum skillen und ablenken hat sie mir ihr Origami-Buch mit einigen Blättern ausgeliehen. Ich kann nicht falten. Meine erste 5 in der Schule hatte ich in der 3. Klasse Werken-Unterricht, weil ich kein Schiffchen falten konnte. Meine Aversion wurde aber besiegt… seht selbst.
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(Zu sehen ist ein Becher und eine Zikade)
Damit war dann das Eis gebrochen.
Gestern, als der Dienstarzt noch mal auf die Wunden geschaut hat, bevor diese mit Steristrips geklammert wurden, meinte die Ärztin, dass das Suizid auf Raten sei. Das hat gesessen. Mir war es ungeheuer peinlich, versorgt zu werden. Ich weiß nicht mal genau, weswegen. Ich mache das sonst immer selbst. Aber diesmal wurden die frischen Wunden entdeckt, weswegen ein Pfleger sich gleich drum gekümmert hat. Seinetwegen habe ich gestern auch endgültig meine Klinge abgegeben…es war ein wichtiger, aber dennoch schwerer Schritt.

Worte

Ein Pfleger kommt, geht an mir vorbei und betrachtet meine Arme geringschätzig. „Na, sieht ja gut aus.“


Ich muss mit der Dienstärztin reden, ob ich in den Ausgang darf. Sie redet mit meinen Eltern.  „Passen Sie auf Anna auf, denn sie ist ja schon auffällig.“


Worte können verletzen…

Tagesurlaub

In der Visite am Mittwoch habe ich die Erlaubnis auf Tagesurlaub bekommen. Ich freue mich natürlich, endlich mal wieder die Klinik verlassen zu dürfen und auch das Gelände hinter mir zu lassen, indem ich mich sonst nur bewegen darf. Andererseits ist der Tagesurlaub auch mit Angst gepaart. Vor allem das Straßenbahn fahren fällt mir sehr schwer. Die Blicke der anderen lässt mich oft dissoziieren, sodass ich nicht weiß, wie ich überhaupt nach Hause gekommen bin. Das ist sehr erschreckend. Oder ich bin so misstrauisch das ich wieder denke, jeder findet mich abstoßend. Die Angst davor scheint nie weg zu gehen…
Aber es hat auch etwas gutes. Ich kann zu Hause bei meinen Ratten sein, mit meinen Eltern Kaffee trinken und mich ein wenig entspannen. Ich kann Musik hören, habe meine Ruhe vor den Pflegern, muss dafür selbst an meine Tabletten denken und mich um meinen eigenen Kram kümmern.
Morgen fahre ich sogar nach Hause, also nach Hause-nach Hause, nach Mülsen. Zwar nur für einige Stunden, aber besser als nichts. Früh nehmen mich meine Eltern mit und abends die Eltern von André (nicht wieder darüber lachen!). Ich freue mich mit Jasmin und ihren Kindern, meiner großen Schwester, und meiner Oma Ostern zu feiern. Da kann ich für kurze Zeit dem Klinikalltag entfliehen.
Montag ist allerdings wieder ein Tag, wo ich darauf warte, dass die Stunden vergehen…weil ich keinen Urlaub bekommen habe und Feiertag ist. Aber ich bekomme nachmittags Besuch von André. Dafür lohnt es sich zu warten.

„Lieber Matz, dein Papa hat ’ne Meise“ von Sebastian Schlösser

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Briefe, die berühren. Was als Geschichte über die Arbeit am Theater beginnt, die Schlösser seinem Sohn erklärt, wird nach und nach ein Bericht, wie es zur bipolaren Psychose kam. Welche Unsinnigkeiten er während der Manie ausgeführt hat, wie er in verschiedenen Krankenhäusern war, all das berichtet er liebevoll seinem Sohn Matz. Dabei nennt er seine Krankheit „Meise“, die Psychiatrie „Wolkenkuckucksheim“ und die Psychopharmaka „Meisensmarties“.
Ein weiterer Fund in der Bibliothek. Ein sehr gelungener Bericht über die bipolare Störung und wie schwierig es ist, über begangene Fehler zu stehen.

II – Woche 2 – Psychiatrie

Die Tage vergehen, aber sie sind zäh und alles zieht sich in die Länge. Alle Zeit der Welt hat man hier und das wird einem ab und an zum Verhängnis.
In der Visite wurde nichts neues besprochen. Außer das das Venlafaxin auf stolze 450mg erhöht wurde. Das Olanzapin wird vielleicht ganz abgesetzt. Aber das wird langsam geschehen, Schritt für Schritt.
Mit meiner Zimmerkollegin komme ich in letzter Zeit sehr gut zu Recht. Sie ist schon etwas älter und hat ähnliche Interessen wie ich. Zusammen redet man also über gute Literatur wie über den Autor Paulo Coelho, Esoterik, das Leben und übers Theater. Auch wenn manche nicht daran glauben wollen (oder können), wir haben sogar zusammen gependelt und damit schwierige Entscheidungen gelöst. Das war eine ganz besondere Erfahrung.
Heute hatte ich wieder Gruppentherapie in der Skillgruppe. Über Skills habe ich in meinem Info-Beitrag zur Selbstverletzung bereits geschrieben. Da das aktuell wieder ein Problem ist, soll ich in der Gruppe erneut mitmachen. Auch bei meinen letzten Aufenthalten war ich Mitglied in den verschiedensten Skillgruppen. Auch in der KJP. Bisher habe ich aber noch immer nicht mein Mittel zum Zweck gefunden, um endlich den Kreislauf des Svv zu durch brechen.