Diagnosenwirrwarr

Ach, was soll ich sagen? Das Leben ist langweilig, wenn man in der Luft hängt und mal wieder nicht weiß, wie es weiter geht. Der Antrag für die Reha konnte noch nicht gestellt werden, weil Locke noch nicht das Schreiben fertig hatte, das sie beilegen wollte. Indem wollte sie meine „Krankheit“ darstellen und aufzeigen, warum es aus therapeutischer Sicht sinnvoll ist, das ich die Reha mache.
Ich habe Angst davor. Ich weiß nicht, was da drin stehen wird, aber ich vermute, das alles wieder auf BPS herauslaufen wird. Ich werde das nie, nie, nie akzeptieren. Depressionen, sehe ich ein. Ängste, sehe ich ein. Stimmen hören und psychotische Krisen, sehe ich ein. Aber Borderline?
Ich würde schon sagen, das ich einige Borderliner kenne. Und die sind alle a) viel schlechter dran als ich, sind b) zum Teil traumatisiert und haben einen längeren Leidensweg, c) ganz andere und vielfältigere Symptome und d) …will ich einfach nicht „emotional instabil, Borderline Typ“ sein.
Locke kommt immer wieder und fragt, aus welcher Richtung die Symptome kommen. „Entweder ist das emotional-instabil oder sie sind psychotischer Natur“.
Es müsste mir eigentlich egal sein. Ich weiß es eigentlich besser: BPS ist sehr vielfältig. Es ist NUR eine Diagnose. Ich bin nicht die Diagnose. BPS ist nicht die doofe „Ritzkrankheit“, mit impulsiv-aggressiven Patienten.
Ich würde mich so gerne von der Diagnose lösen können. Möchte nicht darüber nachdenken, was ich habe … oder was ich dadurch bin. Ich bin ein Mensch mit Problemen. Na und? Alles in Ordnung. Warum fällt mir das nur so schwer? Warum sperre ich mich so gegen die ganzen Diagnosen? Könnte mir das nicht egal sein?
Ich möchte weder das eine (schizophren) noch das andere (Borderlinerin) sein. Einfach nur ICH sein. Behandelt, wie es mir gut tut und nicht, wie man das bei dieser oder jener Krankheit macht.


Gestern war ich mit der Selbsthilfegruppe auf dem Weihnachtsmarkt. Wir waren nur drei Mitglieder, plus unserer Aufpasserin, die die SHG leitet. Nennen wir sie Fr. Ludwig. Sie hatte ein Babyjahr, und nun ist sie zum zweiten Mal wieder da. Ich kenne sie also noch nicht weiter. Aber der Besuch auf dem Markt war wirklich schön. Wir konnten gut reden…zum Beispiel über Kunst, Musik, Reisen (sie war in Alaska – ein Traum von mir), Kochen etc. Mir ging es relativ gut und ich konnte mich öffnen. A. war wieder mit dabei und wir verstehen uns auch gut, würde ich sagen. Es war wirklich schön. Das war für dieses Jahr unser letztes Treffen. Und ich bin so froh, dabei zu sein. Es tut mir sehr gut. (Erstaunlich, bin schon ein halbes Jahr mit dabei…wie die Zeit vergeht) Die Leute sind alle sehr nett und was mir besonders Spaß macht ist, anderen zu helfen und sie zu unterstützen. Und wenn es nur durch einen gut gemeinten Rat ist, eine kleine Aufmunterung. Ich mochte das schon immer. Und hier habe ich die Möglichkeit dazu.

Out of Headlines

Es ging dieses Jahr schnell, das die Monate verflogen. Eben war noch Sommer, nun ist schon Dezember. Eben war ich noch in der Psychiatrie, nun bin ich frei…
Die Vorweihnachtszeit möchte ich so ruhig und entspannt wie möglich verbringen, nachdem ich letztes Jahr in der geschlossenen und später auch offenen Station war. Zwar hatte ich Besuch, aber es fühlte sich nicht an wie Advent. Generell nicht wie Weihnachten.
Gestern hatte ich zuerst einen Termin bei Locke. Wir redeten über die Ängste, Geräusche und Gedankeneingebungen. Ich weiß derzeit nicht wie ich damit umgehen soll. Abwarten wahrscheinlich. Durchhalten.
Danach bin ich zum Sozialdienst. Wir haben den Antrag auf Teilhabe am Arbeitsleben – Rehaantrag ausgefüllt. Zum Glück musste ich das nicht alleine machen, ich verstehe solche Anträge einfach nicht. Jedenfalls wartet der Herr Sozialdienstmensch noch auf den Bericht von Locke über mich, mit der Begründung aus welchen therapeutisch/ärztlichen Gründen eine Reha angemessen ist. Den bekomme ich am Montag zu Lesen, sodass ich absegnen kann was darin steht. (Ich hoffe, sie hat keine gänzlich andere Sicht auf mich, wie ich dachte…)
Abends bin ich dann zum Yoga. Die Gruppe ist nett und alles, aber ich komme dort nicht weiter. Es ist jedesmal dasselbe und das langweilt mich. Ich denke nach diesem Turnus höre ich dort auf und suche mir etwas anderes. Dafür hat sie mir heute einen Termin zur Klangschalentherapie gegeben, die angeblich auch depressive/schizophrene Symptome lindern soll. Es ist mir egal, ob das Scharlatanerei ist. Ich hoffe nur, das nach all der Zeit irgendetwas hilft…

Neuerungen und Abschied

Am Montag war ich bei der Personalfrau aus dem Krankenhaus. Wir redeten kurz, ich erklärte, dass ich kündigen will. Und sie verstand es, zu meiner Verwunderung. Ich weiß gerade nicht, ob ich es nicht doch geschafft hätte. Hätte ich mich nur mehr angestrengt…hätte ich nur die Zähne zusammen gebissen…hätte ich mich doch einfach da durch geboxt…
Aber jetzt ist es auch zu spät.
Gestern habe ich dann dem Sozialdienst geschrieben, das ich einen Termin möchte wo wir noch mal über die berufliche Reha reden und den Antrag stellen.
Die Woche war ich sehr aktiv, habe jeden Tag etwas unternommen, meistens mit Laura, meiner Schwester und Nils, meinem Bruder. Es war schön und hat mich abgelenkt.
Am Mittwoch habe ich meine Ratte Beatrice tot im Stall aufgefunden. Mach’s gut, meine Kleine. Sie hat fast zwei Monate gegen einen Tumor gekämpft…ein starkes Mädchen.
Ich habe mich die Tage sehr über das winterliche Wetter gefreut. Mit Schnee, frischem Wind und dem Geruch von Frost am Morgen. So könnte es weitergehen…

Berufsunglück

Ich lief durch den Park, indem ich jeden Winkel, jeden Baum, jede Bank kannte. Es war Herbst geworden und die kahlen Bäume kratzten am grauen Himmel. Laub fegte durch den scharfen und kalten Wind über die gepflasterten Wege. Ich setzte mich vor den Neptunbrunnen und sah zu, wie die Krähen über ihm kreisten. Graubedeckte Himmel mit dunklen Schwingen gezeichnet. Ich wollte zur Infoveranstaltung des BTZ, um mich weiter über berufliche Reha zu informieren. Aber ich war gnadenlos zu zeitig da und deswegen hatte es mich in den Park des naheliegenden Krankenhauses, in dem ich so viel Zeit verbracht hatte, verschlagen.
Als ich zurück kehrte, ging ich zu A. aus der Selbthilfegruppe, der derzeit auch am BTZ eine Maßnahme macht. Wir unterhielten uns und er lenkte mich von meiner Unsicherheit und Angst ab. Bald schon kamen andere Interessenten, und, oh Wunder, ich kannte einige von ihnen aus der Klinik.  Eine Mitarbeiterin des Beruflichen Trainings kam und begann mit der Präsentation über das BTZ. Sie erklärte das Modell, die Ziele, die Arten und Leistungen. Im Anschluss machten wir einen Rundgang durch das Gebäude und lernten die verschiedenen Arbeitsbereiche kennen. Am meisten interessierte mich der gestalterische Bereich mit Buchbindung, Mediengestaltung und das Labor, sowie die Schneiderei. Mal sehen, ob ich teilnehmen kann und dann die Bereiche kennen lerne…
Wenn die Personalabteilung im Krankenhaus endlich auf meine Kündigung reagieren würde, könnte ich dem Sozialdienst Bescheid geben, das ich mich für die Reha entschlossen habe und das durchziehen möchte. Aber seit einer Woche keine Reaktion…
Das Wochenende wird ruhig, ich werde ein wenig stricken, auf Miezi aufpassen und eventuell durch die Stadt spazieren gehen.  Und möglicherweise Kaffee trinken gehen. Hab ich das schon mal erwähnt? Ich liebe Kaffee.

Ich weiß gerade nicht, wie es mir geht. Ob es mir gut geht. Ob es mir schlecht geht. Gerade bin ich sehr sensibel. Ich könnte wegen Kleinigkeiten in Tränen ausbrechen. Ich höre wieder viel (an euch da oben: langsam nervt’s). Ich habe sehr viel Angst.
Ich wünsche mir…das es langsam mal wieder aufwärts geht. Eigentlich dachte ich, das ich mir das mittlerweile verdient hätte. Irgendwo. Ich kämpfe schon so lange. Und immer wieder gibt es Einbrüche in den vereisten See, unter dem die Depression, die Angst, die Psychose lauert.

Und wenn es noch nicht gut ist, ist es noch nicht das Ende

Ich konnte kaum schlafen, denn ich wusste, die beiden Termine die vor mir lagen würden mir alles abverlangen. Zuerst ein Gespräch mit W. vom Sozialdienst, danach ein Gespräch mit Locke, nach dem unmöglichen Aufnahme/Einweisungsgespräch letzter Woche.
Ich wartete in der PIA auf W., weil er sich dort mit mir treffen wollte. Der Sozialdienst mit zwei Mitarbeitern ist der PIA angeschlossen, so wie es für jede Station einen Sozialarbeiter gibt. Früher, das heißt bis Sommer diesen Jahres, lag der Sozialdienst mit im Haus B, in dem die gesamte psychiatrische Abteilung untergebracht ist. Dies hatte sich aus Platzmangel verändert, sodass wir quer durch das Krankenhausgelände zu seinem Büro gingen.
In dem kleinen Zimmer setzte ich mich und ich musste kämpfen, dass ich nicht direkt in Tränen ausbrach. Ich erklärte ihm erst meinen (kurzen und schwierigen) beruflichen Werdegang. Abitur 2014, Studium…Psychiatrie. Ausbildung….Psychiatrie. Bufdi….Psychiatrie. Alles, was ich je begonnen hatte, endete in der Psychiatrie, wo ich völlig entkräftet wieder zu mir kam. Er hörte mir zu und riet mir dann zu beruflicher Reha. Davon hatte ich am Freitag bei der Psychiaterin bereits gehört und mir im Vorfeld Gedanken dazu gemacht. Ich wusste, das es derzeit wahrscheinlich der beste Weg für mich war. So gab er mir alle nötigen Informationen, erzählte von Voraussetzungen und Anträgen, dem Weg dorthin. Für mich als Schwerbehinderte sei es recht einfach, da das Amt nicht noch einmal extern (beim Amtsarzt und Amtspsychologen) prüfen müsse, das wirklich Bedarf an der Maßnahme war. Die Bearbeitungszeit und der Antrag dauert ohne Ausweis bis zu 3 Monate…mit Behindertenausweis aber wesentlich schneller.
Die Maßnahme, die ich machen sollte, lautet Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme (BVB). Definiert wird sie auf der Homepage des Trainingszentrums folgendermaßen:

Angeboten wird diese Einzelmaßnahme seelisch behinderten Menschen, die mit einer anschließenden Ausbildung ihre Eingliederung in den Arbeitsmarkt erreichen wollen. — Quelle: BTZ Dresden

Die Dauer liegt mit 11 bis maximal 18 Monaten vor. Denn, Hand aufs Herz: nach 3 Versuchen muss ich mir eingestehen, dass ich noch keine Ausbildung schaffe. Am Donnerstag aller zwei Wochen bietet das BTZ Dresden eine Infoveranstaltung an, die sozusagen verpflichtend für zukünftige Teilnehmer der Maßnahmen ist. Man bekommt erst einen Überblick über das BTZ allgemein, die Leistungen etc. und dann einen Rundgang durchs Gebäude. Dort werden dann alle Stationen vorgestellt.
Zugegeben, anfangs war ich von der Idee nicht begeistert. Eine Maßnahme, um überhaupt eine Ausbildung zu schaffen? Ich hab sogar mein Abitur geschafft! Aber dann überlegte ich und sah es ein, das es mit Aufgeben und Versagen und Scheitern nichts zu tun hat. Denn es ist eher ein Versagen, würde ich nochmal 2 Ausbildungen beginnen und nicht schaffen, so wie das Studium, Ausbildung, Bufdi…
W. riet mir also, die Infoveranstaltung zu besuchen und dann noch mal über meine Entscheidung Bescheid zu geben;  ob der Antrag gestellt wird oder nicht. Dabei werde ich nämlich vom Sozialdienst unterstützt. Danach lief ich, mit vielen Fragen und Zweifeln, Gedanken und Problemen im Kopf wieder zur PIA.
Dort wartete ich lesend auf Locke. Sie kommt sonst immer mit dem breitesten Grinsen ins Wartezimmer, das ich kenne, und holt mich dort ab für das Gespräch. Gestern nicht. Sie wirkte eher reserviert, mit harten Zügen um den Mund. Wir gingen in ihr Zimmer und verglichen die Diary Card aus der Klinik. Alles leer, trotzt hohem Druck, das heißt keine Selbstschädigung. Dann redeten wir erst über den Bufdi und die Kündigung desselben. Im Rollenspiel übten wir das und danach grinste sie mich begeistert an. Sie war sehr stolz auf mich. Und ich erklärte ihr, wie man als soziophober-Blickkontakt-hassender Mensch diese Hürde überwindet: man schaut auf den Mund. Merkt kein Mensch…
Im Anschluss redeten wir noch über die berufliche Reha (was sie eine gute Idee fand) und die Weiterführung der Therapie, falls es wegen der Arbeit nicht geht. Dann kam der schwierigste Teil: ich entschuldigte mich für mein blödes Verhalten letzte Woche und wir redeten noch ein wenig Smalltalk. Und lachten sogar manchmal. Das war schön. Danach war alle Härte aus ihrem Gesicht verschwunden. Und mir fiel ein Stein vom Herzen. Die Fronten waren also wieder geklärt.

Unklarheit

Arbeitsperspektive ungeklärt. Ob ich weiter mache oder aufgebe. Ob ich die Station wechsle oder versage. Am Montag ein Gespräch mit dem Sozialdienst. Thema: wie geht’s weiter? Im Raum steht berufliche Reha. Aber ob das was bringt? Ob es mir schlecht genug geht? Ob ich das Recht dazu habe?
Wie stelle ich mir mein Leben vor? Das ich reich werde hab ich nie verlangt. Nur glücklich werden erhoffe ich mir. Mit dem, was ich tue. Mit dem, was ich bin.
Ich verlange nicht viel: nur eine Ausbildung zu haben und zu arbeiten. Und dabei nicht völlig unter zu gehen.

Das Lied der Hoffnung

Ich streiche über meine Arme mit den unzähligen Narben, einige rot, andere weiß, einige erhaben, einige tiefliegend. Durch den Schleier meiner Tränen sehe ich nichts, außer den schlechten Dingen. Sehe nichts außer Versagen, Aufgeben, Misshandlung, Schmerz und Leid. In diesen Momenten ist es mir egal, denn ich will nur die schlimmen Dinge sehen. Aber wenn sich mein Blick klärt und ich langsam wieder ich selbst bin, dann möchte ich vergessen. Vergessen, und nicht verdrängen. Verarbeiten, und nicht beiseite schieben.
Vieles, was ich falsch gemacht habe, rächt sich. Meine Narben, die jucken, die schmerzen, die spannen. Ich weiß, das diese Art der Verarbeitung einen hohen Tribut fordert. Dennoch frage ich mich, womit ich das verdient habe. Blicke ich nach rechts, blicke ich nach links, sehe ich Menschen, denen es ähnlich geht. Die leiden oder gelitten haben. Die kämpfen oder kämpften. In ihren eigenen Schlachten, in denen ihrer Kinder oder ihrer Freunde. Der Einsatz war höher als das Ergebnis. Aber dennoch stürzten sich diese mutigen Männer und Frauen in die Schlacht.
Ich frage mich oft, wofür. Wofür ich leben soll. Wofür ich kämpfe. Wofür ich tagtäglich die Augen aufschlage, um danach aufzustehen und den Tag anzutreten. Es ist eine rhetorische Frage, denke ich dann bei mir. Es gibt auf sie keine Antwort. Dennoch quält sie mich immer und immer wieder.
Ich frage mich, wie ich hoffen soll. Woher ich die Kraft nehmen soll, zu hoffen. Einige beziehen ihre Hoffnung aus den kleinen, besonderen Augenblicken des Lebens. Wenn sie mit der Hand durch das Fell ihres Hundes streicheln. Wenn sie auf dem Rücken eines Pferdes durch die Landschaft preschen oder auf einem Motorrad eine Straße entlang fegen. Wenn sie aufwachen und das verschlafene Lächeln ihres Partners sehen.
Ich bin mir nicht sicher, was mein Hoffnungsmoment ist. Ob es allein das Schnurren meiner Katze ist oder das müde „Ich liebe dich“ vorm einschlafen. Ob es die Momente sind, in denen ich allein im Wald meinen Weg suche oder wenn ich in der Therapie alle Ängste und Sorgen los werde.
Aber ich bin mir sicher, das einen nicht ganz unwesentlichen Teil meiner Hoffnung durch meine Familie bildet.
Jeder einzelne, der mich mit Handschlag, einer Umarmung, einem Kuss begrüßt, berührt mich nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich. Manchmal reicht dieser Moment aus, um mich zum lächeln zu bringen, obwohl mir nicht danach zu Mute ist. Oftmals finde ich durch die lieben Worte meiner Familie Kraft. Und immer freue ich mich zu sehen, das auch ich ihnen etwas gebe – wenn es auch nur ein Moment ist, in denen ich ihnen zeige, was sie mir bedeuten.

Bekloppt, nicht näher bezeichnet

Entlassen.
Wieder nach draußen gehen, mit Menschen reden, normal sein, lesen, spazieren, eine ganz neue Welt, die sich mir auftut.
Ich bin nicht mehr am Rande der Verzweiflung, sondern einen Schritt weiter. Am Montag ein erneutes Gespräch mit Locke. Bis dahin erhoffe ich mir von der PIA-Psychiaterin eine AU zu bekommen und erst donnerstags wieder auf Arbeit zu müssen.
Heute habe ich A.O. getröstet, die mit mir auf einem Zimmer war. Sie weinte mindestens eine halbe Stunde, bis sie sich mir endlich öffnete. „Die Ärzte interessieren sich gar nicht für mich…immer erhöhen sie nur die Tabletten! Davon werde ich nicht gesund! Das geht schon seit letztem Jahr so…“ Die Worte könnten von mir sein, denke ich, aber ich spreche es nicht aus. Derweil mache ich ihr Mut, nicht aufgeben, nicht den Kopf hängen lassen, sondern weiter kämpfen. Dabei müsste ich mir meine Worte selbst annehmen.
Ich warte auf den Arztbrief und reiße ihn in meinem Zimmer auf, um ihn zu lesen. Diagnose: mittelgradige, rezidivierende Depression und Schizophrenie, nicht näher bezeichnet. Was auch immer das ist.
Hoffentlich bekomme ich morgen die AU bis Dienstag und muss dann erst Donnerstag auf Arbeit, wegen dem sächsischen Feiertag Buß & Bettag. Derzeit ist mir nämlich gar nicht danach…

Verschnaufpause

Ruhe.
Ich lese. Ich atme. Ich liege auf dem Rücken. Denke. Sinniere. Fasse mich.
Erst einmal zur Ruhe kommen auf Station.
Alte Bekannte treffe ich. Die Ärzte kennen mich. Nur die Schwestern nicht – eine neue Station.
Ruhe.
Ich muss Kräfte sammeln. Um weiter zu kämpfen.
Psychiatrie 7.0….

Nachruf

Es gibt eine Brücke, die den Himmel und die Erde verbindet.
Weil sie so viele Farben hat, nennt man sie die Regenbogenbrücke.
Auf der jenseitigen Seite der Brücke liegt ein wunderschönes Land
mit blühenden Wiesen, mit saftigem grünen Gras und traumhaften Wäldern.
Wenn ein geliebtes Tier die Erde für immer verlassen muss,
gelangt es zu diesem wundervollen Ort.
Dort gibt es immer reichlich zu fressen und zu trinken,
und das Wetter ist immer so schön und warm wie im Frühling.
Die alten Tiere werden dort wieder jung und die kranken Tiere wieder gesund.
Den ganzen Tag toben sie vergnügt zusammen herum.
Nur eines fehlt ihnen zu ihrem vollkommenen Glück:
Sie sind nicht mit ihren Menschen zusammen, die sie auf der Erde so geliebt haben.
So rennen und spielen sie jeden Tag miteinander,
bis eines Tages eines von ihnen plötzlich innehält und gespannt aufsieht.
Seine Nase nimmt Witterung auf, seine Ohren stellen sich auf,
und die Augen werden ganz groß.
Es tritt aus der Gruppe heraus und rennt dann los über das grüne Gras.
Es wird schneller und schneller, denn es hat Dich gesehen!
Und wenn Du und Dein geliebtes Tier sich treffen,
gibt es eine Wiedersehensfreude, die nicht enden will.
Du nimmst es in Deine Arme und hältst es fest umschlungen.
Dein Gesicht wird wieder und wieder von ihm geküsst,
deine Hände streicheln über sein schönes weiches Fell,
und Du siehst endlich wieder in die Augen Deines geliebten Freundes,
der so lange aus Deinem Leben verschwunden war, aber niemals aus Deinem Herzen.
Dann überquert ihr gemeinsam die Regenbogenbrücke
und werdet von nun an niemals mehr getrennt sein…



(Autor des Originals Paul C. Dahm, Übersetzung von Carmen Stäbler)

Mein Kuschelkumpel, mein Tröster, mein Fellball, mein Bärchen. Wir sehen uns am Ende der Regenbogenbrücke.
Mein Liebling Igor, im Alter von 26 Jahren eingeschläfert.