„Hallo, hier ist Anna aus der Umbettung“

Es ist alles so normal. Ich stehe um fünf Uhr morgens auf, dusche, packe meine Sachen zusammen. Dann fahre ich mit der Bahn, dem Bus, laufe die letzten Meter auf Arbeit. Zu erst wird die neue, gelieferte Wäsche einsortiert. Dann kommen bereits die ersten Patienten für die drei OP-Säle. Ich schleuse ein, über eine blaue Platte auf die OP-Tische. Ich stütze die Knie, lege Polster unter den Kopf und die Fersen. Dann geht es in die Vorbereitung. Dort wird gewartet, später die Narkose eingestellt. Im OP wird gelagert, zum Beispiel die Steinschnittlagerung für OPs am Rektum. Nach der OP wird die Lagerung aufgehoben, der Patient in die Umbettung geschoben und ausgeschleust. Für ihn geht es in den Aufwachraum. Für mich gibt es erneut Arbeit…
Ich komme mittlerweile besser mit der Belastung zurecht. Es ist anstrengend….wirklich sehr anstrengend für mich. Aber ich bin nicht mehr todsterbensmüde und kaputt und ausgelaugt.
Ich kann nur sagen…ich bin froh darüber, wie es derzeit ist. Die Arbeit ist okay. Ich fühle mich an sich auch ganz wohl. Die Depression ist derzeit nicht übermächtig, die Psychose meldet sich nur manchmal.

Eine ganz neue Welt

Mit wackeligen Schritten näherte ich mich dem Krankenhauskomplex. Verschiedene Häuser, verbunden mit Laubgängen. Gelbe Blätter wehen durch diese.
Ich gehe auf Station, ziehe mich um. Nur den BH und die Unterwäsche darf ich anbehalten, Socken, Schuhe, Kasack und Hose werden vom Krankenhaus gestellt und sind einfarbig grün. Ich beginne damit, die OP-Tische zu säubern. Dann kommen die ersten Patienten. Einschleusen, in die Anästhesie bringen, vorbereiten für den OP. Ich schleuse aus. Ich reinige Betten. Ich hebe Menschen, ich rolle Menschen, ich helfe Menschen auf die Trage. Sie sind alle nackt, Fleischklöße mit vielen Haaren. Der Anblick stört mich nicht. Auch nicht, das sie auf das Umbett urinieren und koten. Es ist schon fast Gewöhnung.
Dann Lagerbestände aufnehmen, für den OP Sachen zusammen suchen, planen, aufräumen. Arbeiten. Ich bin immer auf den Beinen, erledige, arbeite, bin da, wenn es im OP brennt. Ich lagere Menschen. Ich wische mir den Schweiß von der Stirn, ich atme durch Mundschutz, ich wische meine Hände mit Desinfektionsmittel ein.
Alles so normal, und das nach zwei Tagen.
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Die Katastrophe: ich kann aller Vorraussicht nicht bei Locke bleiben, weil ich zu lange arbeite und sie dann nicht mehr zur Verfügung steht. Das bringt mich echt zum verzweifeln…

Auf und ab

Am Mittwoch ist es ein Jahr her, seitdem ich in Friedrichstadt war. Mit gemischten Gefühlen betrachte ich diese Tatsache. Ein Jahr. Ein Jahr Kampf, Psychose, Depression, Angst, Zweifel, Suizidalität. Ich kann nicht in Worte fassen wie schrecklich sich das anfühlt. Es hat sich nicht allzu viel geändert seitdem. Ich könnte bei dem Gedanken daran weinen. Mir wird zwar oft gesagt: Du hast dich sehr verändert! Aber ich fühle es nicht in mir. Es läuft ein paar Tage gut, dann kommt wieder alles zurück.
Ich weiß langsam nicht mehr weiter. Ich hab keine Lust mehr auf Tabletten, Gespräche, Therapien. Lasst mich einfach in Ruhe….will ich sagen, doch möchte ich einfach nur Verständnis für meine Situation, Anteilnahme…kein Mitleid, sondern Aufmunterung.

Ganz schön behindert

Informationen über die Entscheidung und den Ablauf des Antrags: Die Sache mit der Behinderung
Ich hatte eigentlich nicht mehr damit gerechnet, jemals eine Antwort auf meinen Antrag für Behinderung zu bekommen. Irgendwie hatte ich es auch gar nicht mehr so richtig auf dem Schirm…aber heute flatterte ein Brief in meinen Briefkasten, der bestätigte: ich bin behindert! (Ja, jetzt darf ich Witze darüber machen!)
Mit einem Grad von 50 bekomme ich einen Ausweis und Hilfe und Unterstützung. Die Angabe vorm Arbeitgeber ist freiwillig.

Zombie-Modus

Am Montag hatte ich einen Termin bei der Psychiaterin. Es wird wieder herumgedoktert. Ich präsentiere: Anna auf Risperidon.
Eigentlich sollte es nur leicht sedierend  wirken. Aber irgendwie haut es mich kurz nach der Einnahme  total um. Wenn ich in der Nacht aufwache fällt jede Bewegung schwer. Es ist, als wäre ich fixiert. Und ich erinnere mich auch nicht an reichlich desorientierte und verrückte Gespräche, die ich unter Risperidon führe. Wie ein Zombie komme ich mir vor… aber wenn es wirkt?! Dann ist es wohl zu ertragen!
Nächste Woche startet das Jahr im Bundesfreiwilligendienst. Ich muss nicht erwähnen wie sehr mir das Angst macht. Wieder alles fremd, neu, anders. Durchstehen. Abwarten. Schaffen.

Willkommen, Depression, lang nicht mehr gesehen.

Das Leben kann verdammt noch mal ungerecht, scheiße und hart sein. Hart, vor allem hart. Wenn du merkst, das dir selbst einfachste Tätigkeiten nicht von der Hand gehen und alles in dir rebelliert, versuchst du nur aus deinem Bett zu klettern, dann bist du wahrlich an einem Punkt, der dich früher oder später wieder in die Krise führen wird. Klar, weiß man das. Wenn du nicht schläfst, ausreichend trinkst und isst, weil selbst einen Tee zu kochen eine unüberwindbare Hürde darstellt, dann gibt dein Körper früher oder später auf. Treu nach dem Motto: See you in hell, sucker!
Es ist nicht förderlich für die Gesundheit maximal vier Stunden im Halbschlaf vorm Fernseher zu hocken. Auch das die Katze mehr ordentliches Fressen bekommt als du selbst ist ein sicheres Anzeichen für später eintretendes Totalversagen. Dann wundert es nicht, das zwei gewisse Stimmen sich zurückmelden, ihren Dienst sozusagen wieder aufnehmen und dich stundenlang terrorisieren. Angekommen an dem Punkt wirfst du deine „Seize the day“ und „You only live once“ Vorsätze über Bord, verkriechst dich unter Decken und Kissen und der schnurrenden Katze auf dir und wartest, bis die Verzweiflung kommt und dich übermannt. Keine Sorge, das dauert dann nicht mehr allzu lange.
Du zweifelst an dir, denn du hast mehrere Tage nicht mehr geduscht und selbst das Katzenklo riecht besser als du. Auch wird dir übel bei dem Gedanken, das Haus zu verlassen. Einkaufen, ihgitt! Soziale Interaktion! Weiche von mir, Dämon!
Traurigkeit übernimmt deine Gedanken, denn du weißt, das alles nichts bringt. Du könntest den Wodka aus der Küche leer saufen. Und davon kotzen. Du könntest dir erneut deine Arme aufschneiden. Und dann in der Chirurgie abgewiesen werden, weil „Sie machen es ja eh wieder“. Du könntest dich an die Klinik wenden. Und dann wieder tagelang in deinem Zimmer hocken, allein mit deinen Gedanken, kein Gespräch, nur noch mehr und mehr Tabletten. Wer will das schon?
Weil du nicht schlafen kannst, schaust du Fernsehen. Es läuft ein Drama über ein Mädchen aus Harlem, ohne Zukunft, mehrfach missbraucht vom eigenen Vater (von dem sie Kind Nummer zwei erwartet). Dann denkst du: Fuck, und ich behaupte ein armes Würstchen zu sein?
Sieh der Realität ins Auge. Diese Phasen kommen und gehen. Und du kannst nichts dagegen machen. Bevor du also wieder damit spielst, dir das Gehirn aus dem Kopf zu blasen, einen Zug frontal zu küssen oder einen Jahresvorrat Beruhigungsmittel zu genießen, seh’s einfach ein: dein nächstes Leben, das gewiss kommt, wird genauso beschissen werden.

Angst vor der Angst

Mit kalten Fingern greife ich an meine Kehle. Außer einer Mischung aus keuchen, stöhnen und seufzen entfährt ihr nichts. Meine Augen füllen sich langsam mit Tränen, während ich vergeblich versuche, die Töne hinunter zu schlucken. Während mir die erste über meine Wange zu meinem Kinn fließt, merke ich, wie sich mein gesamter Körper verkrampft.
Ich kann mir nicht vorstellen, das ich das erneut durchmachen muss. Das wieder die Angst Herr über meine Gedanken, Empfindungen und letztendlich auch über mein Leben wird. Es bringt mich regelrecht zum verzweifeln, daran zu denken, dass ich wieder heimgesucht werde von dem Monster, das wir Angst nennen.
Die Frage ist: wovor?
Vor der Psychose? Der Depression? Oder schlicht und ergreifend der Angst? Ich weiß es nicht, ich weiß es nicht, ich weiß es nicht schreit alles in mir. Wie ein Mantra sage ich diese Worte immer wieder auf. Währenddessen erhebe ich mich und taumle ins Bad. Im Spiegel starrt mir mit roten Augen und glitzernden Tränen auf der Wange eine Fremde zurück. Ich versuche das Bild mit meinen Fingern zu verwischen, doch sie verschwindet einfach nicht. Mein Versuch scheitert, sodass ich panisch gegen den Spiegel schlage.
Mein Blick fällt auf die glitzernde Rasierklinge, die auf der Ablage neben der Zahnpasta liegt. Als wäre ich nicht mehr fähig meine Bewegungen zu steuern muss ich zu sehen, wie sich meine Hand ihr nähert. Schließlich streichle sanft über die kalte Oberfläche der Klinge. Irgendwann, nach scheinbar langer Zeit, nehme ich sie vorsichtig auf. Und plötzlich streife ich meinen Ärmel hoch, als Teil des Rituals, und setze sie an. Die erste Sekunde überkommt mich ein Gefühl der Angst, dann Wut, letztendlich aber Niedergeschlagenheit. Ich sehe zu, wie sich der bläuliche Schnitt langsam mit hellrotem, arteriellen Blut füllt. Es dauert, bis sich ein Gerinnsel gebildet hat und meinen Arm entlang läuft und in das Waschbecken fällt. Die Angst tritt erneut in den Vordergrund. Während ich automatisch zum nächsten Schnitt ansetze, frage ich mich, wo das befreiende Gefühl bleibt, welches mir so vertraut ist. Immer nachdem ich geschnitten habe überkommt mich Gelassenheit. Zuversicht. Hoffnung. Ein Gefühl, das mir sagt: „Das war das letzte Mal. Nun kann ich damit aufhören. Aber dieses letzte Mal war noch wichtig.“ Aber es kommt nicht. Angst, denke ich nur. Angst, Angst, Angst.
Immer mehr rote Tropfen bahnen sich ihren Weg über den bereits von vielen Narben hügeligen Arm hinunter ins Waschbecken. Ich schluchze.
Die Angst bleibt. War es das wert?

Gedenken – 6 Jahre ohne dich

Heute vor sechs Jahren bist du nach langem Kampf eingeschlafen. Ich denke noch immer sehr oft an dich, weil du mein Leben so sehr geprägt hast. Durch dich habe ich meine Liebe zur Handarbeit, zum Backen und Kochen und all mein Wissen über Katzen erhalten. Du hast mich täglich dazu ermuntert, Klavier zu üben, sodass ich heute mit Stolz behaupten kann, durch dich eine gute Pianistin zu sein. Du hast mich begleitet bei meinen Wettkämpfen im Sport und mich motiviert, bei der Leichtathletik am Ball zu bleiben. Auch wenn du es nicht gerne gesehen hast, denn ich sollte lieber „was richtiges“ lernen, backe und koche, häkel, stricke und sticke ich gerne. Und das alles nur wegen dir.
Als du gegangen bist, hast du Schnee über unsere Rosen geschickt. Heute, nach sechs Jahren, sendest du wieder diese Botschaft.
Wir alle denken an dich. Und wir lieben dich.
Danke, Liane, für alles. Weil du die beste Oma und Ersatz-Mutter warst, wenn das Löwenherz gerade auf Arbeit war oder keine Zeit hatte.

Mollis neues Leben

„Die Katze Morle (Molli) wurde uns am 16.05.2015 zur Euthanasie gebracht. Morle war in einem desolaten Zustand. Sie war abgemagert, hatte einen Zungenulcus, verfilztes Fell und Läuse. Sie war aber aufmerksa, teilnahmsvoll und aufgeweckt. Daher sahen wir einen Grund zur Behandlung, aber nicht zur Euthanasie. Sie war der Halterin als inzwischen reine Wohnungskatze seit 2 Jahren zu lästig geworden. Morle scheint viel durchgemacht zu haben. Sie hat einen ehemals gebrochenen Schwanz, eine alte Flankenverletzung […]. Sie ist trotz ihres Alter von ca 15 Jahren fit und fidel.“

— Zitat der Tierärztin, die Molli aufgenommen und versorgt hat
Am Donnerstag hat uns eien Tierschützerin Molli gebracht. Die alte Katze mit der langen Lebensgeschichte fühlte sich vom ersten Moment an pudelwohl. Sie beschnupperte erst alles ausführlich, durchstreifte ihr neues Revier und begrüßte uns freudig.
Mittlerweile hat sich die alte Dame gut bei uns eingelebt. Sie frisst gut und weicht uns nicht von der Seite. Sie nutzt das Katzenklo und den Kratzbaum. In der Nacht kuschelt sie sich an mich und bleibt wie ein Kuscheltier brav liegen.
Ich bin so froh, das wir diese schöne alte Mieze aufgenommen haben. Sie ist eine Seele von einer Katze, die im Umgang mit Menschen sehr zutraulich und liebevoll ist. Unarten besitzt sie keine, sie ist sehr gut erzogen.
Trotz ihres Alter ist sie sehr flott zu Fuß und hat ihre „fünf Minuten“ in denen sie wie eine Wilde durch alle Räume zischt.

Molli on her 2nd day! #cat #catsofinstagram #weltkehrt

Ein von Anna Darko (@weltkehrt) gepostetes Foto am